Einweihung der Sengbachtalsperre

Aus der Geschichte der Solinger Talsperre
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Am Freitag, den 29. Mai 1903, schilderte das Solinger Kreis-Intelligenzblatt die festliche Aktivitäten des vergangen Tages etwas ausführlicher:

Solinger Kreis-Intelligenzblatt

Zur Einweihung des neuen Wasser- und Elektrizitätswerks und der Badeanstalt der Stadt Solingen.

III.
Solingen, 29. Mai.

Nachdem die Festgesellschaft im Kasino ein opulentes Frühstück eingenommen hatte, wurden die Wagen bestiegen und nun ging die Fahrt über die Kaiserstraße, Meisenburg, Balkhausen, Glüder zur Strohnerhöhe. Auf der Fahrt über die Berge und durch die Täler eröffnete sich manch' prächtiger Ausblick in unsere, mit landschaftlichen Reizen so reich gesegnete Heimat. Ausblicke, die namentlich das Entzücken der fremden Gäste erregten, die offen eingestanden, sich das Bergische Land doch nicht so schön vorgestellt zu haben, wie es sich ihnen nunmehr präsentierte. Der Wirt von Glüder, Herr Soffel, hatte in verständnisvoller Würdigung des Durstes, den die Festteilnehmer durch die lange Wagenfahrt auf staubiger Chaussee bekommen mußten, an dem Halteplatz der Wagen auf Strohnerhöhe eine fliegende Wirtschaft errichtet, die kaum Bier genug liefern konnte, um die trockenen Kehlen zu erfrischen. Ein Spaziergang von wenigen Minuten brachte dann die Festgesellschaft auf die Krone der Sperrmauer, von der aus man einen entzückenden Ausblick auf das weithin sich erstreckende und zwischen bewaldeten Höhen liegende Wasserbecken hat, in dem bekanntlich schon über 1½ Millionen Kubikmeter Wasser angestaut sind.

Foto: Otto Intze
Geheimrat Otto Intze

Der Festakt der Schlußsteinlegung begann mit einer Ansprache des Herrn Geheimrats Intze. Sieben Jahre sind es her, so führte er aus, seidem die Vorarbeiten für das heute vollendete Werk der Talsperre begonnen wurden. Im Mai 1898 habe er von der Stadt Solingen den Auftrag erhalten, ein Projekt auszuarbeiten, das am 16. Juni 1899 von den Stadtverordneten genehmigt wurde. An diesem denkwürdigen Tage faßte das Kollegium den weittragenden Beschluß, für das unzureichend gewordene alte Wasserwerk [in der Grunenburg] eine Talsperre mit 3 Millionen Kubikmeter Wasserinhalt zu bauen, die mit 43 Meter Höhe die bisher höchste in der Rheinprovinz geworden ist. 3 Millionen Mark wurden dafür bewilligt, ein Betrag, der während der Ausführung überschritten worden ist. Redner geht dann an Hand der bereits gestern veröffentlichten Schluß-Stein-Urkunde näher auf die Baugeschichte der Talsperre ein und bemerkt dann zum Schluß, es gereiche ihm zur besonderen Freude, heute nach siebenjähriger Tätigkeit die große Talsperre der Stadt Solingen übergeben zu können. Er tue dies mit dem Wunsche, daß Gottes Segen auch ferner auf der Anlage ruhen möge, der Stadt Solingen zur Freude und den Stadtverordneten zur Genugtuung, daß sie einst dies Bauwerk auszuführen beschlossen haben. Allerdings werde Solingen während der ersten Zeit größere Lasten zu tragen haben, aber sie werden nach seinen Erfahrungen, die er mit Talsperren gemacht habe, sich bald vermindern. [Der] Redner übergibt das Bauwerk Herrn Oberbürgermeister Dicke.

Herr Oberbürgermeister Dicke hält darauf folgende Ansprache:

Foto: August Dicke
August Dicke, von 1896-1928 Solinger Oberbürgermeister

Hochgeehrte Herren! [und Damen an den heimischen Herden]
Mit herzlicher Freude begrüße ich die Vollendung dieses großen Werkes. Hiermit ist eine Anlage geschaffen, die für die Existenz und Weiterentwicklung unseres Gemeinwesens eine absolute Notwendigkeit war. Mit herzlichem Dank erkenne ich an, daß alle, die an diesem Werk mitgearbeitet, ihr bestes Wissen und Können eingesezt haben, um das Werk in seiner großen Mannigfaltigkeit zum Ziel und zur Vollendung zu führen. Eine Notwendigkeit war das für unsere Gemeinde; die frühere Wassergewinnungsanlage zeigte sich den Anforderungen, welche die starke Entwicklung unserer Gemeinde mit sich brachte, nicht mehr gewachsen. Wir mußten dafür sorgen, daß diese Wasserfrage, zweifellos eine der wichtigsten für ein Gemeinwesen, eine gründliche und vollbefriedigende Lösung finde. Schwer die Frage, schwer die Lösung; der Rat des städtischen Wasserwerksdirektors wies uns den Weg, den Herr Geheimrat Intze gefunden, um Naturkräfte, die bisher fast unbenutzt geblieben, in segenspendender Weise auszunutzen. Bereitwillig haben Sie, hochverehrter Herr Geheimrat, uns damals in klarer, auch dem Laien verständlicher Weise, die Vorzüge dargelegt, welche den Bau de Sperre ratsam erscheinen ließen. Das große Vertrauen, welches wir Ihnen entgegenbrachten, wurde noch verstärkt durch die sehr eingehenden und übersichtlichen Vorarbeiten, die Sie Ihrem Vortrage zu Grunde legten. Von entscheidender Bedeutung war auch, daß der Direktor für das städtische Wasserwerk durchaus mit Ihren Darlegungen deren Grundlagen er zum Teil selbst geschaffen, übereinstimmte. Ich freue mich dieses sagen zu dürfen, und ich weiß, daß Sie, hochverehrter Herr Geheimrat, sich diesem Gefühle von ganzem Herzen anschließen.

So haben wir denn den Beschluß gefaßt und die Oberleitung vertrauensvoll in Ihre Hände gelegt. Im Laufe der mehrjährigen Bauperiode haben wir die Ueberlegung gewonnen, daß bei dieser vielgestalteten Anlage die Vorarbeiten durchaus erschöpfend gewesen, daß die Ausführung in musterhafter Weise sich vollzogen. Besonders erkenne ich an, daß Ihre Oberleitung eine ständige und bis in die Details eingehende war, daß Sie immer bereit waren, hier an Ort und Stelle den Stand der Anlage zu prüfen und mit uns zu beraten, ungeachtet, ob Sie in der Ferne weilten, ungeachtet der schweren Arbeitslast, die Ihnen zu erledigen oblag.

Die großen Schwierigkeiten, welche sich naturgemäß bei der Ausführung eines eminenten Bauwerkes einstellen, sind Dank Ihrer Erfahrung und verständnisvollen Einwirkung bald behoben worden. Die Ausführungen dieses gewaltigen Bauwerkes wurde auf Ihren Vorschlag der Firma Vehring-Hamburg übertragen. Wenn auch sachlicher Differenzen wegen die Abrechnung noch nicht beglichen sind, so darf ich doch sagen, daß die Firma Vehring hier ein Werk geschaffen, welches sich mit berechtigtem Stolze zu denjenigen zählen darf, die den vorzüglichen Ruf der Firma begründen.

Freudige Anerkennung und Dank spreche ich aus allen denjenigen Herren, die in leitender oder ausführender Stellung an diesem Werk mitgeschaffen haben. Die Herren Beigeordneter Klose, Regierungsbaumeister Mattern, Bauführer Bug haben volles Verständnis für die schwierige Aufgabe, großen Fleiß und rastlose Energie bestätigt und sie dürfen mit vollem Recht für sich in Anspruch nehmen, daß, wenn nicht jeder von Ihnen seine volle Schuldigkeit getan, das Werk in dieser Vollendung nicht vor uns stehen würde. Und diesen Herren haben die Werkführer und Arbeiter nachgeeifert.

Herzlichen Dank spreche ich namens der Stadt Solingen den Staatsbehörden aus für die bereitwillige Förderung dieses Unternehmens. Die Fragen, welche bei dem Bau einer Talsperre mit den dazu gehörigen Anlagen wie hier zu lösen sind, bewegen sich in den verschiedensten Zweigen der Verwaltung. Ueberall und stets habe ich freundliches Entgegenkommen gefunden, gern bin ich mit Rat und Tat unterstützt worden, um auftretende Hindernisse schnell zu beseitigen.

Herzlichen Dank spreche ich aus den Herren Vertretern der Kommunalverbände, in deren Bezirk die Talsperre liegt. Ich erkenne an, daß diese Herren mit Unparteilichkeit und Gerechtigkeit die zwischen uns schwebenden Fragen entschieden haben.

Hochverehrter Herr Ober-Präsident! Ew. Exzellenz haben sogleich als Herr Geheimrat Intze die erste Talsperre in unserer Provinz zur Ausführung brachte die große Bedeutung der Talsperren erkannt und diesen Bauten Ihre Fürsorge angedeihen lassen. Auch heute bekunden Ew. Exzellenz das lebhafte Interesse bei unserer Einweihungsfeier. Namens der Bürgerschaft spreche ich Ew. Exzellenz unseren tiefempfundenen Dank aus für die freundliche Annahme unserer Einladung. Dankbar erkennen wir, wie alle Bewohner der Rheinprovinz an, daß Ew. Exzellenz stets bemüht sind, alle Einrichtungen zu fördern, die das Wohl unserer schönen Provinz zu heben geeignet sind. Wie ich auch aus eigener Erfahrung sagen darf, daß auch unser Gemeinwesen sich stets besonderen Wohlwollens Ew. Exzellenz erfreut. Ich weiß, mit welcher Befriedigung Ew. Exzellenz meine Vorträge entgegennahmen, wenn ich von diesen Unternehmen, oder anderen, dem Gemeinwesen nützlichen Anstalten Ew. Exzellenz berichten durfte. Ew. Exzellenz wollen mir gestatten, für die uns stets erwiese Güte unseren herzlichsten und eherbietigsten Dank auszusprechen. Ew. Exzellenz wollen versichert sein , daß der Wunsch des gesamten Rheinlandes, das ein gütiges Geschick Ew. Exzellenz noch lange, lange Jahre unsere Provinz erhalten möge, den freudigen Widerhall in der Bürgerschaft Solingens findet.

Hochverehrter Herr Regierungspräsident! Herzlichen Dank für ihre Anwesenheit am heutigen Tage; sie ist uns ein Beweis dafür, daß, wie Ihre Herren Amtsvorgänger, auch Sie diesem Unternehmen Ihre warme Fürsorge und kräftigen Schutz angedeihen lassen werden.

Hochverehrter Herr Geheimrat! Manche Erfindung mag Ihren Namen tragen, die Schaffung der Talsperre wird von Ihren Geisteswerken die eminenteste Bedeutung haben. Soviel ich weiß, behandelte man in unserem Vaterlande zunächst mit Mißtrauen die Idee, Wasserkräfte in der von Ihnen geplanten Weise zu sammeln und zu verwerten. Sie, hochverehrter Herr Geheimrat, haben es verstanden, dieses Mißtrauen als unbegründet nachzuweisen. Sie haben es aber weiter auch erreicht, daß die Durchführung dieser genialen Idee heute überall da angestrebt wird, wo die Natur die Vorbedingungen dazu geschaffen hat. Hohe Ehren sind Ihnen, hochverehrter Herr Geheimrat, für Ihre Werke zuteil geworden. Höher werden Sie es schätzen, daß Sie Gemeinde-Einrichtungen geschaffen haben, die nach menschlicher Voraussicht alle Zeit großen Segen gewähren. Möge auch diese Anlage immerdar in der von Ihnen gewollten Weise ihren Zweck erfüllen und den fernsten Generationen Ansatz sein, in dankbarer Erinnerung und Verehrung Ihres Namens zu gedenken, als eines Mannes, den das Vaterland zu seinen verdientesten Söhnen zählt.

Mein lieber und verehrter Herr Kollege Klose! Sie schauen heute auf eine Reihe von Jahren zurück, die das höchste Maß von Mühe und Arbeit an Sie gestellt haben. Die Herren, welche mitgewirkt haben an diesem Bau, sie werden alle mit mir dahin übereinstimmen, daß der größte Teil der Arbeit auf Ihren Schultern ruhte. Mit Ihrer unermüdlichen Arbeitskraft sind Sie der schweren Aufgabe Herr geworden. Ich glaube, Ihre Gefühle am heutigen Tage recht zu deuten, wenn ich sage, Sie stehen heute an einem Abschnitt Ihrer Lebensaufgabe, das Werk ist vollendet; das ist der erste Teil, jetzt gilt es, das Werk nutzbar zu gestalten, so wie wir es bei seiner Gründung gehofft haben. Seit Jahren haben Sie für die Stadt Solingen in meister- und musterhafter Weise gearbeitet. Das Vertrauen der gesamten Bürgerschaft ist Ihnen in hohem Maße zuteil geworden; wie sehr dieses Vertrauen gerechtfertigt ist, das bezeuge ich heute besonders gern aus freudigem Herzen, mit aufrichtiger Hochachtung. Mögen Sie noch lange, recht lange der Stadt und ihrem Amte erhalten bleiben. Darin finde ich die sicherste Bürgschaft, für die Erfüllung der weitgehenden Hoffnung, die wir auf dieses Werk gesetzt haben.

Meine hochverehrten Herren! Die Städteordnung gibt den Städten das Recht der Selbstverwaltung. Dieses Recht schließt die Pflicht in sich, die Angelegenheiten der Gemeinde so zu behandeln, daß das Gemeinwohl die einzige Richtschnur für ihre Verwaltung bleibt. Das Wohl der Gemeinde beruht darauf, daß allen kommunalen Bedürfnissen, realen, wie idealen, durch entsprechende Einrichtungen Rechnung getragen wird. Die Vertretung der Bürgerschaft Solingens hat stets in Betätigung dieses Grundsatzes gehandelt und alles getan, das Gemeinwohl zu fördern, soweit die Kraft der Bürgerschaft es gestattet. Wenn wir heute zugleich eine Badeanstalt eröffnen, die, wie ich hoffe, allen Anforderungen der Neuzeit entspricht, so darf diese, meine ich, als der beste Beweis gelten.

Das wichtigste und größte der städtischen Unternehmungen, welches die letzten Jahre entstehen sahen, haben wir vor uns. Die Stadtvertretung Solingens hat mit Mut und Entschlossenheit hier ein Werk geschaffen, welches große und schwere Opfer erforderte. Die Beratungen und Beschlüsse wurden nach sorgfälltiger Prüfung und in voller Erfassung des Ernstes der Lage gefaßt. Sie wurden getragen von der Liebe zur Vaterstadt in dem festen Glauben auf dauernde und glückliche Entwicklung unserer Gemeinde. Bewußt war sich die Vertretung der Bürgerschaft, daß dieses Werk die Gegenwart unverhältnismäßig belastet und erst der Zukunft der volle Segen zu Teil wird. Keiner aber hat gezögert seine Zustimmung zu geben in der Erkenntnis, daß das Wohl der Gemeinde die Schaffung dieses Unternehmens verlangt und daß der Gemeinsinn nicht Kosten noch Lasten scheuen darf, sofern es sich um Erreichung unseres einzigen und gemeinsamen Zieles handelt, das ist das Wohl der Stadt!

Und so nehme ich denn das Werk aus Ihrer Hand entgegen, Hochverehrter Herr Geheimrat, mit herzlichem Dank und voller Anerkennung für Sie und Ihre Mitarbeiter. Mit dem herzlichen Wunsche, daß hiermit ein Grundstein gelegt sei, für das Glück und Gedeihen der Stadt Solingen, daß all unsere Hoffnungen in Erfüllung gehen und noch die fernsten Geschlechter die Gründer des Werkes segnen mögen! So füge es des Allmächtigen Hand.

Der Herr Oberpräsident Exzellenz Nasse richtet sodann folgende Worte an die Festgesellschaft:

Ich sehe in der Solinger Talsperre ein Meisterwerk deutscher Ingenieurkunst. Es soll nicht allein dazu dienen, den Solingern frisches Wasser zu liefern, es soll auch durch die Erzeugung elektrischer Kraft der Industrie eine gleichmäßige Kraft gewähren. Es ist die siebente Talsperre, die in der Rheinprovinz vollendet wird, alle liegen sie im bergischen Lande. Das ist wohl ein Beweis dafür, daß die Bewohner des Bergischen Landes weitschauenden Blickes erkannt haben, was ihnen Not tut. In der heutigen Zeit mit steigenden Bevölkerungen und zurückgehenden Wassermengen müssen solche Reservoire angelegt werden. Die Solinger Bürgerschaft blickt heute mit Dankbarkeit auf Herrn Geheimrat Intze, als den Schöpfer der Talsperre, ich wünsche, daß Solingen alle Vorteile, die es von der Talsperre erhofft hat, auch erhalten werde. Dann werden die Enkelkinder dankbar der heutigen Generation gedenken, die das große Werk geschaffen haben. Als Seine Majestät der Kaiser vor vier Jahren das bergische Land besuchte, da war ein Hauptanziehungspunkt für ihn, den er zu sehen wünschte, die Remscheider Talsperre. Herr Geheimrat Intze kann davon erzählen, wie aufmerksam Seine Majestät lauschte, als er ihm die Talsperre erklärte. Auch der hiesigen Talsperre hat Seine Majestät während der Bauausführung seine Aufmerksamkeit geschenkt und er hat auch den Mitarbeitern an diesem Werke seine Huld zugewandt. Ich habe die hohe Ehre, eine Anzahl von Auszeichnungen mitzuteilen, die der Kaiser aus Anlaß der Vollendung des Werkes zu verleihen geruht hat. Seine Majestät hat verliehen: Herrn Regierungs- und Baurat Lickfeld den Kronenorden 3. Klasse, Herrn Direktor Klose den Roten Adlerorden 4. Klasse, Herrn Regierungsbaumeister Mattern den Kronenorden 4. Klasse, Herrn Rohrmeister Hahmann und Herrn Bauführer Arp das Allgemeine Ehrenzeichen. Ich gestatte mir, diesen allerhöchsten Auszeichnungen meinen eigenen Glückwunsch hinzuzufügen und bitte alle Anwesenden, dem Dank für diese Beweise allerhöchster Gnade und allerhöchsten Interesses Ausdruck zu geben in dem Rufe, Seine Majestät der Kaiser und König, er lebe hoch, hoch, hoch!

Mit Begeisterung stimmten die Anwesenden in diesen Ruf ein. Mittlerweile war der Schlußstein mit Urkunde in die Mauer eingefügt worden und altem Brauch gemäß traten die Herren heran, um mit drei Hammerschlägen und einem Sinnspruch ihre Glückwünsche für das Werk zu besiegeln.

Der Herr Oberpräsident sagte:
Der Bürgerschaft zum Labsal,
Der Industrie zum dauernden Nutzen,
Den Erbauern zur Ehre.

Der Herr Regierungspräsident:
Gott zur Ehre und der Bevölkerung Solingens zum Wohlstand.

Herr Kommerzienrat Coppel:
Was lichten Geistes Kraft erdacht,
Was frischer Mut mit Energie vollbracht,
Das schafft Erfrischung, Kraft und Energie
Bei Tage wie bei Nacht

Herr Kommerzienrat Beckmann:
Gott gebe, daß das Bauwerk hält, was wir erwartet haben, als wir es zu bauen beschlossen.

Herr Landrat Lucas:
Als Spitze des Landkreises Solingen verspreche ich, das Meinige zu tun, um die Solinger Thalsperre vor Gefahren behüten zu helfen.

Herr Direktor Klose:
Spare in der Zeit, so hast du in der Not.

Herr Oberbürgermeister Dicke:
Dies Bauwerk möge die Hoffnungen erfüllen, die auf es gesetzt sind.

Herr Geheimrat Intze:
Belohn alle Sorge, die in dich gelegt,
Erfüll' alle Wünsche, die man gehegt.
Unwandelbar fest, auf felsigem Stand
Send' dauernden Segen ins Bergische Land.

Herr Stadtverordneter Häring:
Solange der Himmel uns Wasser spendet, mögen echte deutsche Treue und edler Gemeinsinn die Herrschaft in unserer Stadt haben.

Herr Stadtverordneter Theegarten:
Nimmer abwärts noch rückwärts, sondern aufwärts und vorwärts.

Herr Stadtverordneter Dr. Hülsmann:
Wasser ist das Beste.

Herr Stadtverordneter Peres:
Wasser tut's nicht allein, es muß auch Druck dahinter sein.

Herr Stadtverodneter Raspe:
Möge dieses Bauwerk stehen bis in die fernsten Zeiten als Förderer der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Interessen unserer lieben Vaterstadt Solingen.

Per Wagen wurde nunmehr die Fahrt zur Wasserkraft- und elektrischen Zentrale in Glüder angetreten. Hier stiegen die Herren aus und besichtigten das Werk, das mit seinen hellen freundlichen und peinlich sauber gehaltenen Räumen einen ebenso freundlichen Eindruck machte, wie es imponierend wirkte durch die gewaltigen Maschinen, die hier aufgestellt und in Tätigkeit sind. Nunmehr wurde die Rückfahrt nach Solingen angetreten und gegen 4 Uhr langte man vor der Badeanstalt an. Als die Festgesellschaft die Schwimmhalle betrat, marschierte der Solinger Schwimmverein mit Gesang auf und bald darauf tummelten sich die kräftigen Gestalten im Wasser, Reigenschwimmen und allerhand andere Evolutionen zur Unterhaltung der viel Beifall zollenden Zuschauer ausführend. Eine Besichtigung aller Räume der Badeanstalt verschaffte den Herren den allerbesten Eindruck von der komfortabel eingerichteten und in allen Räumen sehr sauber gehaltenen Anstalt.

Gegen 6 Uhr begann im festlich dekorierten Kaisersaal das Festessen, an dem sich ca. 130 Personen beteiligten. Die Tafelmusik stellte die Stadtkapelle unter Leitung des Herrn Bölts. Als erster Redner erhob sich Herr Regierungspräsident Schreiber und richtete folgende Ansprache an die Festversammlung:

Ich wünsche der Stadt Solingen Glück zu dem heutigen Tage, auf den sie mit Recht Stolz sein kann. Zu den wichtigsten Aufgaben eines städtischen Gemeinwesens, die wegen der hohen Kosten zwar nicht immer Anklang finden, die aber gelöst werden müssen, gehört es in erster Linie, für ein gutes Wasser zu sorgen. Diese Aufgabe ist hier glänzend gelöst worden Dank dem einsichtsvollen Vorgehen des Herrn Oberbürgermeisters und der Verwaltung. Dank der Opferwilligkeit der Bürger, die über zu niedrige Steuern nicht zu klagen haben, Dank der Mithilfe des genialen Spezialhelfers für Talsperrenbauten, des Herrn Geheimrats Intze, Dank seinem talentvollen Schüler, dem hochverdienten Beigeordneten und Wasserwerksdirektor Klose. Es ist ein Werk geschaffen worden, das sich nicht darauf beschränkt, der Stadt Solingen Wasser in unbeschränkter Menge zuzuführen, sondern es ist auch verbunden mit einer Kraftanlage, die elektrisches Licht schafft und diesen beiden bewunderungswerten Werken ist noch die städtische Badeanstalt zugegleidert worden. Ihre Nachkommen werden noch nach Jahrhunderten mit dem Finger auf dieses Blatt in der Chronik Ihrer Stadt zeigen, das einen Markstein in der Entwicklung der Stadt bedeutet. Der Bau dieser Anstalten wäre aber nicht möglich gewesen, wenn nicht die Stadt eine geordnete ruhige Entwicklung hätte nehmen können unter dem Schutze einer starken Staatsregierung, die Ordnung, Zucht, Gesetz und Sitte aufrecht erhält. Das verdanken wir in erster Linie unserem Landesherren, bei dem sich die Zügel der Staatsregierung in starker Hand befinden. Wir wissen wie er sich für alles Große und für jeden Fortschritt interessiert und wie er sich auch für die Talsperren interessiert. Herr Geheimrat Intze hat die hohe Ehre gehabt, dem Kaiser Vortrag über Talsperrenwesen halten zu dürfen und Majestät hat danach befohlen, in Schlesien Talsperren anzulegen, um dort die Hochwassergefahr zu beseitigen. Daß er auch Interesse für die Solinger Talsperre hat, zeigen die verliehenen Auszeichnungen, mit denen er nicht nur die Dekorierten, sondern auch die Stadt Solingen geehrt hat. Ehren wir auch ihn, indem wir ausrufen: Seine Majestät der Kaiser hoch, hoch, hoch! Mit Begeisterung stimmte die Festversammlung in diesen Ruf ein und sang darauf stehend die Nationalhymne.

Der Oberbürgermeister Dicke verliest im Anschluß an den Kaisertoast folgendes Telegramm, das die Versammlung beschließt, an den Kaiser abzusenden:

An seine Majestät den Kaiser und König, Berlin.
In dankbarer Erinnerung an den im August 1899 erfolgten allerhöchsten Besuch Eurer Kaiserlichen und Königlichen Majestät im Bergischen Lande und das den damals in Angriff genommenen großen Talsperren-, Wasserwerks- und Elektrizitäts-Anlagen Solingens gewidmete allerhöchste Interesse, hat die Stadt Solingen heute in Gegenwart des Oberpräsidenten der Rheinprovinz, des Regierungspräsidenten Schreiber von Düsseldorf, zahlreicher Ehrengäste und Festteilnehmer den Schlußstein an der nach den Plänen des Professors Intze ausgeführten gegenwärtig höchsten Talsperre der Rheinprovinz und Westfalens gelegt. Eurer Majestät als dem erhabenen Schirmherrn deutscher Technik wurde soeben in voller Begeisterung von den beim Festmahl vereinten zahlreichen Teilnehmern das Gelübde der Treue durch ein dreifaches Hoch dargebracht, was untertänigst melden zu dürfen Eure Majestät huldreich gestatten wollen.
Oberbürgermeister Dicke.

Herr Oberbürgermeister Dicke hielt darauf eine längere Rede, die leider wegen der Unruhe im Saal zum größten Teil unverstanden blieb. Er führte etwa aus, daß die Vollendung der Talsperre, die die Stadt Solingen mit so viel Sorgen und Mühen erbaut hat, und die Vollendung des Elektrizitätswerkes und der schmucken Badeanstalt wohl Grund genug zur Freude seien. Er dankte dem Oberpräsidenten, daß er die weite Reise von Coblenz aus hierher nicht gescheut habe, um bei uns zu weilen. Leider hat er uns schon wieder früh verlassen müssen. Er hoffe, daß er möglichst bald wieder einmal bei uns einkehren werde. Hochverehrter Herr Regierungspräsident! Es ist uns eine besondere Freude, in Ihnen einen wohlwollenden Freund und Schützer unserer Talsperre kennen zu lernen und ich glaube auch in Ihnen einen Förderer aller unserer kommunalen Interessen zu finden. Ich habe nun eine große Sorgenlast auf dem Herzen - ich spreche nicht von der Kanalisation - (Heiterkeit) sondern von anderen Angelegenheiten. Die Einwohnerschaft unserer Stadt könnte von 45.000 durch einen einzigen Griff um 20.000 Einwohner vermehrt werden, 20.000 Einwohner, die an der Grenze Solingens wohnen und stürmisch Einlaß begehren und die wir auch herzlich willkommen heißen würden. Aber bis jetzt ist es selbst ernergischen Bemühungen nicht gelungen, den hemmenden Riegel zu beseitigen. Da könnte es denn sein, daß wir eines Tages zu Ihnen kommen und sagen, helfen Sie uns doch. Dann würde es uns sehr lieb sein, wenn Sie mit der Macht Ihrer Persönlichkeit für uns eintreten würden. Wir hoffen dann in Ihnen einen kräftigen Bundesgenossen gefunden zu haben. Bemühungen in der Talsperrenangelegenheit, Herrn Forstmeister Deselaeres für seine Zusage, die Talsperre auch für die Folge im Schmuck der Tannen zu halten, den Herren Landräten von Lennep und Solingen und den Herren Bürgermeistern von Burg, Burscheid und Witzhelden für das Entgegenkommen bei den Grundstückserwerbungen in den ihnen unterstellten Bezirken, Herrn Geheimrat Intze und Herrn Direktor Klose für die Schaffung der Talsperre. Er bittet allen Dank in einem Hoch auf diese Herren zusammen zu fassen, was geschieht. Herr Geheimrat Intze dankt darauf im Namen der Ehrengäste für die Einladung und für die ihnen vom Herrn Oberbürgermeister gespendeten freundlichen Worte. Wir alle, die wir als Gäste nach Solingen gekommen sind, wünschen, daß die Entwicklung der Stadt Solingen so vor sich gehen wird, wie man im Juni 1898 beim Beschluß über die Anlage der Talsperre es gehofft hat. Redner schließt mit einem Hoch auf das Blühen und Gedeihen der Stadt Solingen.

Herr Kommerzienrat Coppel dankt herzlichst Namens der ganzen Bevölkerung Solingens als ältester Vertreter derselben, sowohl dem Lebens- als dem Dienstalter nach für die freundlichen Worte, mit denen Herr Geheimrat Intze der Stadt Solingen gedacht hatte. Der heutige Tag ist ein wahrer Festtag für unsere Stadt, haben wir doch heute 3 große Unternehmungen eingeweiht, auf die sich große Hoffnungen gründen. Da ist es natürlich, daß neben dem Gefühl der Freude auch daß der Sorge uns beschleicht, ob auch die Hoffnungen und Erwartungen sich erfüllen werden, und ob uns nicht etwa Enttäuschungen bevorstehen. Wenn aber etwas angetan ist, uns in dieser Beziehung zu beruhigen, so ist es der Umstand, daß kein Geringerer als Geheimrat Intze der Schöpfer der beiden großen Werke ist, ein Mann, dessen Geistestiefe und Erfahrung auf dem von ihm bearbeiteten Gebiete unerreicht ist. Es ist aber auch die Gewißheit, daß die Verwaltung dieser Schöpfungen und die Oberverwaltung in den Händen erprobter Männer liegt, auf die ganz Solingen baut. Als vor 7 Jahren unser hochverehrter Präsident, als Vertreter des damaligen Regierungs-Präsidenten jetzigen Finanzministers von Rheinbaden unsern Oberbürgermeister Dicke in sein Amt einführte, da sagte er, daß in einem Gemeinwesen, das immer neues Leben und Emporblühen zeigt, große Anforderungen an den Bürgermeister gestellt werden, daß seine Leitung eine ganze Arbeitskraft, Umsicht, Geschick und Takt erfordert und er schloß mit der Hoffnung, daß es dem Bürgermeister Dicke gelingen möge, die Verwaltung in die richtigen Bahnen zu leiten und zu erhalten. Diese Hoffnung hat sich voll und ganz erfüllt. Die städtische Vertretung und die ganze Bürgerschaft blickt mit vollstem Vertrauen auf den Herrn Oberbürgermeister und zollt ihm Achtung und Verehrung. Der Herr Oberbürgermeister hat allerdings das Feld hier auch gut beackert gefunden. Seine Vorgänger hinterließen ihm eine ganze Reihe vortrefflicher Beamten. Herr Oberbürgermeister Dicke hat sie stets als seine Mitarbeiter und Berater betrachet und ihnen gerne freie Bewegung nach Möglichkeiten gegönnt. Er hat ihren Leistungen stets Anerkennung gezollt, nichts lag ihm ferner, als ihnen Erfolge zu mißgönnen, oder für sich in Anspruch zu nehmen. So nur war es möglich, daß Herr Direktor Klose sich so hervortuen und allgemeine Anerkennung finden konnte. Auf den Herrn Direktor Klose's Schultern lastet der größte Teil der Arbeiten für die Talsperre und das Elektrizitätswerk und wenn ihm darum heute durch die Gnade seiner Majestät eine hohe Auszeichnung geworden ist, dann teilt seine Freude mit ihm die ganze Bürgerschaft (Bravo). Jeder Bürger Solingens wird diese Auszeichnung als eine wohlberechtigte und wohlverdiente Anerkennung betrachten (Bravo). Unter diesen Umständen ist es natürlich, daß wir alle den dringenden Wunsch haben, unseren ersten Beamten, die Herren Oberbürgermeister Dicke und Beigeordneter Klose, noch recht lange Jahre zu behalten. Die Herren Oberbürgermeister Dicke und Direktor Klose, sie leben hoch, hoch, hoch!

Im weiteren Verlaufe des Abends toastete noch Herr Schönenberg auf die Herren Beigeordneten Kommerzienrat Coppel und Heberlein und Herr Stadtv. Raßpe auf den Herrn Stadtbaumeister Rauprich, den Erbauer der Badeanstalt. Damit hatte der offizielle Teil der Feier seinen Abschluß gefunden. Mögen die drei Werke, die gestern eingeweiht worden sind, Talsperre, Elektrizitätswerk und Badeanstalt, alle auf sie gesetzten Hoffnungen erfüllen und der Stadt Solingen wie ihrer Bürgeschaft zum Segen gereichen.


©2003-2004 Michael Tettinger
Mo. 21.04.2003 - Mi. 22.12.2004
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