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Ansichtskarte Solinger Talsperre im
Sengbachtal (1909 gelaufen) |
Wir schreiben das Jahr 1903
Zur Einweihung des neuen Wasser- und Elektrizitätswerks
und der Badeanstalt der Stadt Solingen.
Solingen, 27. Mai.
»Der morgige Tag, an dem im Beisein hoher Vertreter der
Regierung, des Herrn Oberpräsidenten der Rheinprovinz,
Excellenz Dr. Nasse, und des Regierungspräsidenten Schreiber,
drei große städtische Anlagen ihre Weihe erhalten sollen,
bildet ein wichtiges Merkblatt in der Geschichte der
Entwicklung unserer Stadt. Die Aufgaben, die der Verwaltung
eines städtischen Gemeinwesens in unserer modernen Zeit
gestellt werden, sind bekanntlich ungeheuer mannigfache.
Jeden neuen Fortschritt, den Wissenschaft, Technik und
Natur-Erkenntnis gemacht haben, muß eine mit praktischem
Blick begabte städtische Verwaltung für das ihr unterstellte
Gemeinwesen zum Wohle der Bürgerschaft auszunützen wissen.
An der Spitze der Verwaltung der Stadt Solingen steht seit
August 1896 Herr Oberbürgermeister Dicke. Ein Rückblick auf
die während seiner Aera entstandenen und seiner Initiative
entsprossenen Gemeinde- Unternehmungen läßt recht deutlich
erkennen, daß Herr Oberbürgermeister Dicke einer jener
Verwaltungsbeamten ist, die die oben gezeichneten Aufgaben
moderner Städte- Verwaltungen erkannt und auch durchzuführen
gewußt haben. Er hat das Schulbildungswesen in unserer Stadt
durch den Ausbau des Progymnasiums zur Vollanstalt, durch
die Errichtung der gewerblichen und kaufmännischen
Fortbildungsschule auf eine hohe Stufe gehoben, er hat durch
den Bau des städtischen Schlachthofes, der Badeanstalt und
der Sengbachtalsperre Einrichtungen geschaffen, die im
gesundheitlichen Interesse der Bürgerschaft liegen und er hat
ferner durch den Bau des Elektrizitätswerks nicht allein der
Bürgerschaft eine Quelle neuen Lichtes erschlossen, sondern
auch den Gewerbetreibenden unserer Stadt, den zahlreichen
Klein- Industriellen eine recht willkommene Betriebskraft
vermittelt. Seine auf die Vergrößerung unseres Gemeinwesens
gerichteten Eingemeindungs- Bestrebungen harren erst noch un
der Zukunft ihrer Erfüllung. Hat so der Herr
Oberbürgermeister begründeten Anspruch auf die Dankbarkeit
der Bürgerschaft, zu deren Nutz und Frommen er die
städtischen Anstalten begründet hat, so darf andererseits
auch nicht verkannt werden, daß zur Schaffung all dieser
Anlagen die Steuerkraft der Bürger herhalten mußte. Denn die
Stadt Solingen war nicht in der glücklichen Lage, über ein
Vermögen verfügen zu können, aus dem andere Gemeinden
vielfach derartige Ausgaben bestreiten. So hat sich hier der
Steuersatz lange Jahre auf einer ansehnlichen Höhe gehalten
und im vergangenen Jahre sogar noch eine 15 prozentige
Steigerung erfahren. Nichts desto weniger wird sich die
Bürgerschaft am morgigen Festtage der Errungenschaften
freuen, die die großartige Entwicklung unseres
Stadtverbandes in den letzten Jahren gezeigt hat. Aber ein
Wunsch ist doch so allgemein in der Bürgerschaft lebendig,
daß wir nicht umhin können, ihm bei dieser Gelegenheit
Ausdruck zu geben, der Wunsch nämlich, daß die Bürgerschaft
von der Ausführung eines in bedrohliche Nähe gerückten neuen
kostspieligen Projektes, der Kanalisation, noch für
einige Jahre verschont bleiben möge. Wenn morgen die
höchsten Spitzen der Regierung hier vertreten sind, dann
könnte es nichts schaden, wenn ihnen dieser Bürgerwunsch in
irgend einer Form zur Kenntnis gebracht würde. Auch der
lebendigste Bürgersinn und die lebhafteste Freude an der
Vervollkommnung des städtischen Gemeinwesens müssen Schaden
leiden und es muß an deren Stelle Verstimmung Platz greifen,
wenn die finanzielle Leistungsfähigkeit des Einzelnen zu
radikal zur Lösung städtischer Aufgaben angespannt wird,
deren Notwendigkeit man mit dem besten Willen nicht
einzusehen vermag.
In Nachstehendem möge ein Beschreibung der drei neuen städtischen
Anlagen Platz finden, die morgen eingeweiht werden. Wir
stützen uns dabei auf die von den Herren Direktor Klose und
Ingenieur Söhren verfaßte Denkschrift
und bezüglich der
Bade-Anstalt auf die von Herrn Stadtbaumeister Rauprich
verfaßte Arbeit.«
Soweit das erste größere Zitat aus der damaligen Tageszeitung.
Wundersamerweise zweifelt hier jemand öffentlich an den
gedachten Taten der
Stadtväter. Die Kanalisation ... 100 Jahre später ist sie
immer noch ein Gesprächsthema – in den südlichen Randgebieten der
Stadt, den dort geht es
noch immer den Bach runter.
Die Beschreibung der Anlagen entstammt der Zeitung, die
Denkschrift im Solinger Stadtarchiv ist im Moment
ausgeliehen. Daher bitte ich um Vorsicht bei den genannten
Zahlen und Namen, ein Abgleich war bisher nicht möglich.
· Die Denkschrift war wieder vorhanden, daher kann
ich jetzt eine Kombination beider Schriftstücke bieten
und ein Fazit ziehen: Die Darstellung im
Solinger
Kreis-Intelligenzblatt ist eine gekürzte
Denkschrift. Die {fehlenden
Passagen} habe ich hier wieder hinzugefügt. Bei den
technischen Fachbegriffen fehlte dem Autor der Zeitung
manchmal der nötige Sachverstand. So rückblickend kann man
einfach darüber lästern. Viele Stellen dürften für den
unwissenden Leser schwer verständlich sein, da die Denkschrift
von einem "Fachmann" erstellt wurde, die Sprache aus
vergangener Zeit dürfte auch noch etwas dazu beitragen.
Wasserwerk ·
Elektrizitätswerk ·
Badeanstalt
Das neue Wasserwerk der Stadt Solingen.
Der Bau der Sengbachtalsperre wurde von den Stadtverordneten
beschlossen in der Sitzung vom 10. Mai 1898, nachdem Herr
Geheimrat Intze das von Herrn Direktor Klose entworfene Projekt in
einem Gutachten empfohlen hatte. Herrn Geheimrat Intze wurde auch
die Ausarbeitung des Projektes und die spätere Oberleitung
des Baues übertragen. Im Januar 1900 wurde mit den
Bauarbeiten begonnen und im gleichen Monat 1903 beendet. Am 24.
Juli 1901 konnte das erste Trinkwasser aus dem Sengbachtale nach
dem Hochbassin gefördert werden. Im September 1901 wurde mit
der Füllung des Vorbeckens begonnen und am 7. Oktober lief
die Kaskade zum 1. Mal über. Mit der Stauung des Wasser im
Hauptsammelbecken wurde am 30. März 1903 begonnen. Das
Sengbachtal ist ein Seitental der Wupper und besitzt ein
Niederschlagsgebiet von 11,9 qkm bis zu der Stelle wo die
Sperrmauer errichtet ist. Nach den seit dem 10. Nov. 1897
angestellten genauen Messungen der Wasserabflußmengen des
Sengbachs durch einen selbstregistrierenden Wassermesser, ist mit
Sicherheit darauf zu rechnen, daß selbst in trockenen Jahren
8 Millionen cbm Wasser zur Verfügung sein werden. Um dieses
Wasserquantum vorteilhaft ausnutzen zu können, wurde der
Stauweiher in einer Größe von 3 Millionen Nutzinhalt
ausgeführt. Da im Jahr 1902 der Wasserverbrauch der Stadt
Solingen 1.132.000 cbm betragen hat, können somit 7 Millionen
cbm, welche der Stauweiher liefert, zum Betrieb von Wassermotoren
verwendet werden, durch welche die Pumpen und Dynamomaschinen in
Gang gesetz werden, wenn die Wupperkraft nicht ausreicht. Der
Stauweiher bildet somit zugleich einen stets zur Verwendung
bereiten Kraftspeicher.
Die Lage der Zentrale am linken Wupperufer bei Glüder ist
dadurch besonders günstig, dass es möglich war die
Wasserkraft der Wupper mit ausnutzen zu können.
Durch Erwerbung des Neuenkotten, wo die neue Wehranlage
errichtet wurde, ist eine Gefälle von 5,2 m geschaffen
worden. Es ist durch diese Stauanlage eine Kraftquelle
gewonnen, die während des grösseren Teiles im Jahre
ausreicht nicht allein die Arbeit der Wasserhebung zur
Versorgung von Solingen zu leisten, sondern noch einen
Ueberschuss an Kraft liefert, die in der Zentrale in
elektrische Energie ungewandelt wird und nach Solingen
geleitet, Kraft und Lichtzwecken dient.
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Wehr am Neuenkotten (Gruppenklärwerk Burg) Mai 2003 |
Als Ergänzung der Wupperkraft bei niedrigem Wasserstande
wird, wie schon erwähnt, der Stauweiher zur Krafterzeugung herangezogen.
Die Anlagen des neuen Wasser- und
Elektrizitätswerks umfassen:
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