Am Donnerstag, den 28. Mai 1903, schilderte das Solinger
Kreis-Intelligenzblatt die festliche Aktivitäten:
Zur Einweihung des neuen Wasser- und Elektrizitätswerks
und der Badeanstalt der Stadt Solingen.
Solingen, 28. Mai.
Die Feierlichkeiten nahmen heute Mittag mit einem Frühstück
im Kasino, das zur Feier des Tages mit Blumen und
Blattpflanzen in prächtigster Weise ausgeschmückt worden
war, ihren Anfang, an dem als Ehrengäste die Herren
Oberpräsident Exzellenz Nasse, Regierungspräsident
Schreiber, Regierungsrat Patsch, Forstmeister Deselaeres,
Landrat Dr. Lucas - Solingen, Landrat Dr. Hentzen - Lennep,
Wasserbauinspektor Schröder, Wasserbauinspektor
Schergenbach, Geheimrat Intze, Direktor Klose, Bürgermeister
Schmidt von Burscheid, Bürgermeister Budde von Witzhelden,
Bürgermeister v. Spankeren - Burg u.a., das
Stadtverordneten-Kollegium, Bürger etc., insgesamt
vielleicht 98 Personen teilnahmen.
Nach Beendigung des Festaktes, auf dem wir morgen
ausführlich zurückkommen, trat die Festgesellschaft in 30
Wagen die Fahrt zur Talsperre an.
An der Sperrmauer wird von Herrn Oberbürgermeister Dicke
folgende Urkunde zur Schlußsteinlegung der Solinger
Talsperre verlesen und darauf in den Schlußstein der
Talsperre eingemauert werden:
Unter der glorreichen Regierung Sr. Majestät des deutschen
Kaisers und Königs von Preußen Wilhelm II. wurde heute am
28. Mai 1903 auf der von der Stadt Solingen errichteten
Sengbach-Talsperre in Anwesenheit Seiner Exzellenz des
Oberpräsidenten der Rheinprovinz Herrn Nasse, des Herrn
Regierungspräsidenten Schreiber, der unterzeichneten
Mitglieder der Königlichen Regierung zu Düsseldorf sowie
zahlreicher sonstiger geladener Ehrengäste durch die
Vertreter der Stadt Solingen die feierliche
Schlußsteinlegung der Sengbach-Talsperre vorgenommen. Diese
Talsperre, welche bei normalen Stauspiegel und bei einer
Gesamt-Mauerhöhe von 43 Metern eine Wassermenge von 3
Millionen Kubikmeter aufzustauen gestattet, bildet das
Hauptbauwerk derjenigen Anlagen, welche die Stadt Solingen
zur Erweiterung ihres Wasserwerkes und zur Schaffung einer
Kraftzentrale im Laufe von 3½ Jahren ausgeführt hat.
Bereits im Jahre 1896 wurde durch den Wasserwerksdirektor
Klose in Solingen festgestellt, daß das bisheige Pumpwerk in
Müngsten, welches die Stadt Solingen bis dahin mit Wasser zu
versorgen hatte, auf die Dauer sowohl bezüglich der
Wassermengen als auch bezüglich der Eigenschaften des
Wassers nicht ausreichen würde, und richtete derselbe auf
Grund eingehender örtlichen Untersuchungen der Umgebung von
Solingen sein Augenmerk auf das in der Nähe Solingens
gelegene Sengbachtal, dessen Wassermengen sehr reichlich und
von besonders guter Beschaffeheit zu sein schienen. Auf
Grund eines vorläufigen Gutachtens des Geheimen
Regierungsrates Professor Intze vom Dezember 1896, welches
die Annahmen des Wasserwerksdirektors Klose als zutreffend
bestätigen konnte, wurde der Professor Intze von der Stadt
Solingen um ein eingehenderes Gutachten und Aufstellung von
Kostenüberschlägen für die Anlage einer neuen
Wassergewinnungen im Sengbachtale ersucht. Auf Grund dieses
Gutachtens vom April 1898 und der inzwischen von dem
Wasserwerksdirektor Klose durchgeführten eingehenderen
Messungen im Sengbachtale beschloß die Stadtverordneten-
Vesammlung Solingens am 10. Mai 1898, durch den Professor
Intze einen zur etwaigen Ausführung geeigneten ausführlichen
Entwurf mit genauen Kostenanschlägen anfertigen zu lassen.
Dieser Entwurf wurde im Mai 1899 der Stadt Solingen
überreicht und in der Stadtverordnetensitzung vom 16. Juni
1899 durch den Verfasser in allen seinen Teilen erläutert.
Unter dem Vorsitze ihres gegenwärtigen Oberbürgermeisters
Dicke beschloß die Stadtverordneten- Versammlung von
Solingen am 16. Juni 1899 einstimmig die Ausführung des
vorgenannten umfangreichen Entwurfes. Dieser Entwurf bezog
sich zwecks Ausnutzung aller im vorliegenden Falle gebotenen
günstigen Verhältnise nicht nur auf eine Wassergewinnung im
Sengbachtale durch Anlage eines Vorbeckens und einer großen
Talsperre für 3 Millionen Kubikmeter Stauinhalt und auf die
zugehörigen Wasserentnahme- und
Wasserreinigungseinrichtungen im Sengbachtale, sondern auch
auf die Ausnutzung der an der Wupper bei Glüder durch
anderweilige Talsperren im Wuppergebiet bereits verbesserten
Wasserverhältnisse mittels Anlage eines neuen Wehres bei
Neuenkotten, eines Betriebskanals und einer Pumpstation mit
Niederdruckturbinen für Wupperwasser und Hochdruckturbinen
für das bis zu 60 Meter Druck aufgestaute Wasser des
benachbarten Sengbachtales in Verbindung mit einer
elektrischen Centrale zur Uebertragung der lediglich aus den
Wasserkräften gewonnenen überschüssigen Energie nach der
Stadt Solingen. Der Gesamt-Entwurf nahm die Anlage eines
Kapitals von etwa 3 Millionen Mark in Aussicht. Auf Grund des
vorgenannten Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung von
Solingen wurden die erforderlichen Auschreibungen für die
Bauausführung vorgenommen und bereits im Winter 1899/1900
die hauptsächlichen Bauarbeiten und Lieferungen vergeben,
und zwar die eigentlichen Bauarbeiten bei Neuenkotten, bei
Glüder und im Sengbachtale an die mindestbietende Firma C.
Vering in Hamburg und die Lieferung und Aufstellung der
Pumpen und Turbinen an die mindestbietende Firma Escher, Wyß
und Cie. in Zürich und Ravensburg. Nachdem der Geheime
Regierungsrat Professor Intze in Aachen mit der Oberleitung
der Bauausführung nach seinen Plänen betraut worden war,
wurde sofort nach der Vergebung der Bauarbeiten mit der
Bauausführung begonnen, und sind diese Arbeiten mit größtem
Eifer ununterbrochen bis zur jetzigen Fertigstellung und
Inbetriebnahme sämtlicher Anlagen gefördert worden. Für die
örtliche Bauleitung der Bauausführung wurde der aus dem
Staatsdienste für diesen Zweck beurlaubte
Regierungsbaumeister Mattern von der Stadt Solingen
angestellt, während die örtliche Bauleitung bei der
Herstellung aller maschinellen Einrichtungen und aller
Rohrleitungen von dem jetzigen Beigeordneten
Wasserwerksdirektor Klose in Solingen bewirkt wurde. Nachdem
die Fertigstellung der neuen Wehranlage bei Neuenkotten
nebst Betriebskanal, der Pumpenstation bei Glüder mit
Niederdruckturbinen für Wupperwasser, die Aufstellung der
Pumpen in der Station sowie die Vollendung des Vorbeckens im
oberen Sengbachtale und der zugehörigen
Wassergewinnungseinrichtungen daselbst nebst Rohrleitungen
bis zur Pumpstation und Druckleitungen von der Pumpstation
bis zum Hochbehälter Krahenhöhe bewirkt worden war, konnte
im Sommer 1901 bereits der Betrieb des neuen Wasserwerks
eröffnet werden. Im Sommer 1902 wurden der Firma Brown
Boveri und Cie. die elektrischen Einrichtungen in der Pump-
und Kraftstation bei Glüder mit den zugehörigen
Fernleitungen und Verteilungsleitungen nach Solingen zur
Ausführung übertragen, und konnten dieselben im Dezember
1902 in Betrieb genommen werden. Inzwischen war unter
erschwerenden Umständen mit äußerster Anstrengung an der
Fertigstellung der Haupt-Talsperre im Sengbachtale
gearbeitet worden, und gelang die Fertigstellung des
Hauptmauerwerkes und der hauptsächlichsten Bauarbeiten im
Oktober des Jahres 1902. Nach Räumung des Talbeckens konnte
am 1. April 1903 mit der Füllung des Haupsammelbeckens im
Sengbachtale begonnen werden, und ist es möglich gewesen,
bis zum heutigen Tage bereits eine Wassermenge von 2
Millionen Kubikmeter aus den Zuflüssen aufzustauen. Durch
Seine Exzellenz den Oberpräsidenten der Rheinprovinz Herrn
Nasse, den bekannten eifrigsten Förderer der
Talsperren-Anlagen der Rheinprovinz, und seitens der
Königlichen Regierung zu Düsseldorf wurde unter der
wohlwollenden und weitblickenden Fürsorge des Herrn
Regierungspräsidenten Freiherr von Rheinbaden und von
Holleuser und des gegenwärtigen Herrn Regierungspräsidenten
Schreiber sowie des Herrn Oberregierungsrates Königs und des
Herrn Regierungsrates Putsch die schnelle Ausführung der
umfangreichen Anlagen möglich gemacht. Die erforderliche
staatliche Kontrolle der technischen Ausführung der beiden
Talsperrenanlagen im Sengbachtale wurde durch den
Regierungs- und Baurat Lieckfeldt ausgeübt. Möge nach der
glücklichen Vollendung auch die letzten und größten der zu
der Gesamt-Anlage gehörigen Bauwerke Gottes Segen auf diesen
Anlagen ruhen. Möge der kühne, einstimmige Beschluß, den die
Stadtverordnetenversammlung von Solingen am 16. Juni 1899
faßte, für die Stadt Solingen und für das Wuppertal nicht
nur reiche Früchte tragen, sondern auch zur Nachahmung
aneifern, um im steigendem Maße die in den Gebirgen
vorhandenen, vielfach noch nicht ausgenutzten Naturkräfte
den Bewohnern dienstbar zu machen, und möge die mit den
jetzt vollendeten Anlagen verbundene Verbesserung der
wirtschaftlichen Verhältnisse dazu beitragen, die Bewohner
Solingens und des Wuppertales in Treue zu Kaiser und Reich
und in Liebe zum Vaterlande immer fester an ihre heimatliche
Scholle zu fesseln. Das walte Gott! (Folgen die Unterschriften)
Ob das Telegramm abgeschickt wurde, ist mir derzeit unbekannt.
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