Schleifkotten an der Wupper - Wiesen Kotten

Zur Geschichte des Wiesenkottens

So lautet eine Überschrift im Mitteilungsblatt des Bergischen Geschichtsvereins, Abteilung Solingen, "Die Heimat" aus dem Jahre 1955. In der Ausgabe 8 auf Seite 35 fand ich folgenden Beitrag von Willi Herwig:

»Vor einigen Jahren hat Hans Brangs dargelegt, daß es sich bei dem Schleifkotten "an der Coranther Wiesen", der in einer Versteigerungsanzeige im Jahrgang 1772 der Wochenzeitung "Gülich und Bergische Wöchentliche Nachrichten" (Nr. 50) genannt wird, um eine offensichtliche Bezeichnung für den Wiesenkotten handelt [1].

Wie es zu dieser Versteigerung kam, geht aus den im Staatsarchiv Düsseldorf aufbewahrten Gerichtsakten hervor [2].

Am 17. Juli 1760 bekundeten die Eheleute Johann Dierich Krahe und Anna Margareta Münch vor den Schöffen des Landgerichts Solingen: Peter Weyersberg und Peter Jacobs, daß sie von den Vormündern des unmündigen Sohnes des verstorbenen Predigers Johann Christoph Lohmann [3], nämlich den Kaufhändlern Johann Melchiors [4] und Peter Weyersberg ein Kapital von 450 Talern gegen 4 % Zinsen aufgenommen hätten, um damit eine auf den Kaufhändler Peter Knecht lautendene Obligation vom 5. Mai 1752 abzulösen. Sie verpfändeten als Sicherheit abermals ihr Erb und Gut zum Dorp gelegen, mit allem Zubehör, wie sie es teils von ihrem verstorbenen Vater bzw. Schwiegervater Johann Münch geerbt und teils von ihren Miterben käuflich erworben hatten.

Am 1. August 1772 beantragte dann der inzwischen 28 Jahre alt und bereits Professor gewordene J.C.C Lohmann bei Solinger Gericht, die Erben des Joh. Dierich Krahe zur Rückzahlung des Kapitals nebst Zinsen anzuweisen, da sie ihm bereits einen Zinsbetrag von 23 Reichstalern und 38 Albus schuldeten. Da Zahlungsunfähigkeit vorlag, folgte schließlich die von Brangs zitierte Versteigerungsanzeige vom 15. Dezember 1772.

Durch die Sachverständigen: Zimmermeister Hindrichs Blancken und Maurermeister Anton Peters waren Haus, Hof, Garten, Busch und Banden zum Dorp auf 775 Taler, dazu 1/4 Schleifkotten auf 463 Taler, der Gesamtbesitz also auf 1238 Taler taxiert worden.

Das Gut wurde schließlich von David Moll für insgesamt 630 Reichstaler erworben. Die Erben Krahe: Joh. Wilhelm Lauterjung (Schwiegersohn von Dierich Krahe), Joh. Peter Lütges (dto.) und Wwe. Johann Peter Krahe erhielten ihre Erbanteile ausbezahlt.

Wie Brangs schon festgestellt hat, fehlt der Wiesenkotten auf der Karte des Amtes Solingen von Ploennies (1715), die am Wupperlauf zwischen Burg und Müngsten nur drei Kotten verzeichnet, nämlich den Arnsberger Kotten, den Anschlagkotten und den Schaltkotten.

Die Annahme, daß Ploennies den Wiesenkotten nicht etwa vergessen hat, sondern daß er im Jahre 1715 noch nicht vorhanden war, erhält dadurch eine Bestätigung, daß dieser Kotten auf der Karte von Wiebeking (um 1790) und auf der Fabrikantenkarte von Stamm (1802) als "Neukotten" bezeichnet ist. Erst auf dem Urmeßtischblatt Solingen (1824) wird er als Wiesenkotten registriert.«

Abb.: Karte der Hauptfabrik und Manufaktur Oerter des Herzugthums Berg 1803

Hier mein bearbeiteter Ausschnitt aus der Karte der Haupt-Fabrick und Manufaktur Oerter des Herzogthum Berg 1803 (Ausschnitt Kirchspiel Solingen). Gemessen von Joh. Peter Stamm, gestochen von J.C.Eckard (Stadtarchiv Solingen VII H16) - aus dem Rheinischen Städteatlas (V-30-1979)- Solingen-Tafel 4, Köln, 1979.

In der Tat ist hier der Wiesenkotten mit dem Schriftzug Neukotten eingetragen. Der oberhalb gelegene Arnsberger Kotten ist nicht namentlich gekennzeicht, dagegen der Anschlagkotten. Unterhalb von Burg sind zwei Doppelkotten verzeichnet. Das direkt unterhalb von Burg gelegene Bauwerk ist mir noch etwas unbekannt: Papiermühle/Walkmühle, so die Einträge auf diversen Karten.

Foto: Ehemalige Walkmühle in Burg??
Gebäude der ehemaligen Walkmühle unterhalb des Weißen Steins.

Demnächst vielleicht mehr. Beim nächsten Doppelkotten dürfte es sich um den uns bekannten Neuen Kotten handeln, der einst unterhalb der jetzigen Kläranlage stand und dem Bau der Sengbach-Talsperre bzw. deren Wasserkraftanlage zum Opfer gefallen ist. Noch hervorgehoben habe ich den Eintrag Lachsfang. Auch zum diesen Punkte soll des demnächst mehr geben.

»Der Umstand, daß zu dem 1772 versteigerten Besitz nur ein Viertel des Schleifkottens gehörte, deutet darauf hin, daß dieser Anteil durch Erbteilung in den Besitz der Familie Krahe gekommen ist und daß der Grund und Boden des Wiesenkottens ursprünglich kein Bestandteil des viel weiter nördlich gelegenen Gutes zum Dorp war.«

Es gäbe da aber noch eine andere Erklärung: Der Kotten wurde erst nach 1760 von dem Ehepaar Johann Dierich Krahe und Anna Marg. Münch erbaut. In den Unterlagen von Hans Grah fand ich ein Obligationsprotokoll:

ca. 1763 Obl. Prot. 426 (Seite 427 nicht kopiert)
Johann Dierich Krohe oo Anna Marg. Münch
deb. Schwager Joh. Friedr. Münch
400 Thlr.
für zu erbauenden neuen Schleifkotten
-wo, steht auf S.427 -

Demnach hat sich das Ehepaar vom Schwager 400 Thlr. für den Neubau geliehen. Lohmann bemängelt am 1. August 1772 einen Zinsrückstand (der Erben) von 1 Jahr und 4 Monaten. So könnte Johann Dierich Krahe im März 1771 gestorben sein, wenn ich einmal annehme, dass nach dem Tode die Zinszahlungen eingestellt wurden. Weitere Vermutung meinerseits: Den Kotten haben sie nicht alleine erbaut, sondern sich 1/4 daran beteiligt. Würde auch zu der Obligation passen, 1764 400 Thlr., 1772 463 Thlr. Wert.

» In der von Brangs zitierten Verkaufsanzeige von 1842 wird der Schleifkotten als in der "Gemeinde Burg an der Krallenwiese auf der rechten oder westlichen Seite des Wuppergrabens" gelegen bezeichnet. Brangs vermerkt dazu, die Angabe, der Kotten sei in der Gemeinde Burg gelegen, beruhe auf einem Irrtum; er habe vielmehr auf Dorper Gebiet gestanden.

Man darf aber m.E. annehmen, daß der Notar Stockhausen seine Angabe irgendwie aus älteren Akten übernommen hat. Schon die verschiedenen Vestümmelungen der ursprünglichen Form "Kradendahler Wiese" deuten darauf hin, daß es sich um eine fremde Bezeichnung handelt, die den Solingern nicht geläufig war.

Eine gewisse Klärung des Sachverhalts ergibt sich aus einem Bericht des Burger Richters Deyks vom 10. November 1806 über die Grenze zwischen dem Amte Solingen und der Freiheit Burg [5]. Darin heißt es, daß zwar im allgemeinen die Wupper die natürliche Grenze sei, jedoch mit der Einschränkung, daß einige auf der rechten Wupperseite gelegene Domänen- und Privatgrundstücke, welche von ihm verwaltet würden bzw. Besitz Burger Einwohner seien, nach Burg Steuern zahlten. Auch würden der über der Brücke jenseits der Wupper wohnende Johann Röhrig und die Einwohner des Hauses am sogenannten Schwarzwaag [6] zum Gericht Burg gezahlt. Diese Einschränkungen mochten bis zur Aufhebung der Aemterverfassung beibehalten werden. Dies erklärt auch die Grenzbeziehung westlich der Wupper zwischen Burg und Arnsberger Kotten auf der Fabrikantenkarte von Stamm (1802).

Auf den Ursprung dieser Besitzverhältnisse weist anscheinend eine Urkunde der Johanniterkommende Herrenstunden vom 15. März 1516 hin [7], mit welcher der "Busch, der gelegen ist in dem Kilspell (Kirchspiel) von Solingen und ist genannt der Jamberg (Jagenberg), so wie der in seinem Lacken und Pelen gelegen ist lanxs und beneven der Junckfrawen Busch von Greffenrodt [8], den Eheleuten Hermann von Westhussen und Gueden im Kirchspiel Remscheid auf Lebenszeit für jährlich 6 Enckel-Goldgulden aud St. Martin verpachtet wird [9].

[1] Hans Brangs, Der Schleifkotten "an der Coranther Wiesen", in: Die Heimat, Jg. 17/1951, S. 15 f.
[2] Staatsarchiv Düsseldorf, Berg. Geschichte, Solingen A 366
[3] Johann Peter Christoph Lohmann war 1739-1749 reformierter Prediger in Hilden und anschließend in Kettwig. Er dimittierte am 14. 7. 1743 nach Solingen, um dort die Tochter Maria Catharina des Bürgermeisters (1741/42) Clemens Weyersberg zu heiraten. Bei dem unmündigen Sohn handelt es sich um Johann Clemens Christoph Lohmann, der am 8. Juli 1744 in Hilden getauft wurde (in Hilden geborene Geschwister: Johanna Maria, getauft 17. 12. 1745, begraben 22. 10. 1749, Helene Catharina, geb. 25. 3. 1748, begr. 22. 4. 1749).
[4] Die Großmutter väterlicherseits des Mündels hieß Helena Cath. Melchiors; der Großvater Johann Hermann Lohmann war ref. Prediger zu Langenberg.
[5] Willi Herwig, Die Grenzberichtigungsprotokolle des Amtes Solingen 1805-06 (Manuskript)
[6] Vgl. Willi Herwig, Kirchwaag - Zome Wage, in: Die Heimat, Jg. 17/1951, S.8.
[7] Staatsarchiv Düsseldorf, Johanniterkommende Herrenstrunden, Urkunde 338. Fotokopiebestellnummer 1566
[8] Am 13. Juli 1452 hatte das Kloster Gräfrath von Everhard von Overheide "das Gebüsch der Jagenberg" im Kirschspiel Solingen auf dem Tauschwege gegen den Klosterhof zu Ehingen im Kirchspiel Mündelheim erworben. Everhard v. Overheide hatte den Busch als Tauschobjekt am 29. Juni 1452 von Johann von Nesselrode gt. v. Stade gekauft (Staatsarchiv Düsseldorf, Kloster Gräfrath, Urk. 90. 94. 95).
[9] Den Pächtern wurde ferner auferlegt, alljährlich alle dem Johanniterorden im Kirchspiel Remscheid zustehenden Zehnten und Pächte nach Burg zu liefern. Sie sollen in dem Busch keine Heide hauen lassen oder selber hauen und für gebührliche Hau Sorge tragen. Fernen sollen sie den Busch so verwahren, daß das Vieh keinen Schaden darin anrichten und daß Niemand, die Fischer oder andere Leute "die Heimat schellen" (Heister schälen), womit der Busch verdorben werde. Als Sicherheit für die Pachtzahlung verfänden die Pächter ein Stück Busch, "der gelegen ist hey der Kyppelsteiner Heegen, da man innen plecht zu kolten acht Fuder Kollen"«

Der Beitrag ist etwas "drüg" (trocken), gibt aber einen kleinen Einblick ins 18. Jahrhundert, eben (Erb-)streitigkeiten, die auch noch heute Gang und Gebe sind. Leider fehlt mir der Beitrag von Hans Brangs in meiner Sammlung.

Dem Solinger Stadtarchiv sei Dank, "Der Schleifkotten an der Coranther Wiesen" ist dort archiviert. Nicht der Kotten, ich meine den Beitrag von Hans Brangs.


©2002-2004 Michael Tettinger, So. 07.04.2002, letzte Änderung: Do. 01.07.2004