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Standort:: www.tetti.de · Solingen · Balkhauser Kotten · technisches Kulturdenkmal
Der Balkhauser Kotten an der Wupper als technisches Kulturdenkmal»Vor kurzem hat die Stadtverwaltung Solingen mit den bisherigen Besitzern des bei Glüder an der Wupper gelegenen Balkhauser Kottens einen Vertrag abgeschlossen, wonach der Kotten in das Eigentum der Stadt übergeht, die bisherigen Besitzer aber das Recht behalten, ihr Handwerk darin auf Lebenszeit weiter auszuüben. Während die Stadt die Verpflichtung übernimmt, für die Baulichkeiten zu sorgen, haben die Schleifer das Getriebe in ordnungsmäßigem Gang zu halten. Da der Kotten recht geräumig ist und nur wenige Schleifer darin weiter arbeiten werden, ist beabsichtigt, mehrere Räume zu einem Schleifermuseum auszubauen. Durch diese glückliche Vereinbarung wurde der Kotten vor dem Verfall bewahrt und dem vor einiger Zeit vom Verein für Technik und Industrie, Solingen, eingereichten Antrag, den Balkhauser Kotten als "Technisches Kulturdenkmal" unter die Obhut der Stadt Solingen zu nehmen, entsprochen.
In der Begründung des Antrages hieß es: Zwar hat beim Balkhauser Kotten der Außenkotten der notwendigen Straßenverbreiterung weichen müssen, aber der Innenkotten, der sich noch im Betrieb befindet, ist von besonderem geschichtlichem Wert, weil ein Teil desselben die älteste Kottenanordnung veranschaulicht, bei der der große Schleifstein nicht, wie sonst üblich herangerollt, sondern flach liegend herangeschoben und dann durch die jeweils herausgenommene Wand in den Schleifraum gekippt wird. Dieser im Bild wiedergegebene niedrige Kottenteil, der vor den letzten Instandsetzungsarbeiten ein eigenes, nach beiden Seiten abfallendes kleines Dach hatte, ist aus Eichenpfosten und -riegeln errichtet, die Felder sind ausgestakt und mit Lehm verputzt. Das "Hängen" eines solchen sieben Fuß im Durchmesser messenden Sandsteines mit dem Herausnehmen und nachherigen Wiedereinfügen der Wand ist ein recht zeitraubendes, umständliches und körperlich anstrengendes Arbeitsverfahren, das denn auch erfahrungsgemäß einen nicht geringen Durst auslöst. Ausgestaktes Fachwerk - Staken sind mehr oder weniger gespaltene Knüppel, die meistens in die Löcher (oben) und Nuten (unten) der waagerechten Fachwerkhölzer wie Schwelle, Riegel und Rähm in der Mitte der Wandstärke eingeschlagen sind. Der Kotten liegt am Fuß des Pfaffenbergs am Wege, der von Glüder abwärts führt. Da der Weg hier eine Biegung macht, ist das Auge ganz gefesselt von der großen Stauanlage, dem mächtig schäumenden Wehr und der Furt, die sich die Schleifer mit ihren abgenutzten Steinen durch die Wupper geschaffen haben. Abwärts? Dem Gefälle der Wupper folgend. Das mächtig schäumendene Wehr und die Furt aus ausgedienten Schleifsteinen gibt es nur noch in Erzählungen und auf historischen Darstellungen. Stehen die Höhen und der Wiesengrund in lichtem Frühlingsgrün oder strahlt das Ganze in satten sommerlichen Farben oder taucht der Herbst den dicht mit Laubwald bestandenen Pfaffenberg in Gelb, Rot und Braun, immer ist das Bild von besonderem Reiz. Dabei wollen wir nicht verschweigen, daß es sich in früherer Zeit noch weit anmutiger darbot, als das fleißige Wupperwasser noch kristallklar war und über ein munteres "Eigenleben" verfügte; denn die Wupper war nicht nur reich an Forellen, sondern nicht selten scheuten sogar Lachse und Aale die Mühe nicht, ihren Weg über die Wehre zu suchen. Freilich ist schon manches geschehen, um die an der Wupper begangenen Sünden wieder gut zu machen, aber noch bleibt viel zu tun. Das Neue Wehr am Balkhauser Kotten, Januar 2003 In früheren Zeiten wurden im Balkhauser Kotten vornehmlich Schwerter und Degen geschliffen und poliert, jetzt sind es meist lange Messer und Tischmesser. Das Schleifen von Solinger Erzeugnissen ist nie eine leichte und einfache Arbeit, etwa nur ein bloßes Blankmachen, gewesen; in jedem Fall hat es sich um das Ausschleifen einer gebrauchstüchtigen Schneide gehandelt, die, zwar in einer scharfen Kante auslaufend, keine ebene, sondern eine nach bestimmten Gesetzten gekrümmte Fläche verlangt, um der Beanspruchung während des Schneidens widerstehen zu können. Um diese Schleifarbeit gut und wirtschaftlich zugleich auszuführen, das heißt in dem üblichen schnellen Arbeitsrhythmus, braucht man eine besondere Geschicklichkeit, ein feines Fingerspitzengefühl, das sich fremd Hinzugekommene kaum anzueignen vermögen, das sich jedoch in den alteingesessenen Schleiferfamilien von Geschlecht zu Geschlecht fortgeerbt hat. Voller Stolz blickt der Schleifermeister, der aus einer alten Schleiferfamilie stammt, auf seine gedrungene, schwielige Hand. Einer solchen Hand mit dem feinen Empfinden für den richtigen Schleifvorgang und mit der Kraft, die eine ununterbrochene Schleifarbeit ermöglicht, verdankt seine Familie den gemächlichen Wohlstand. Der Weg vom Kotten abwärts führt zu den alten Schleiferorten, dem ersten, zweiten und dritten Balkhausen, die, jeder für sich in Wiesen gebettet, in kurzen Abständen aufeinander folgen. Es sind jene typischen Solinger Schleiferortschaften, deren einfache Häuser mit ihren weiß getünchten Wänden, geteerten Balken und grünen Schlagläden einen besonders sauberen und freundlichen Eindruck machen, der durch kleine, wohlgepflegte Ziergärten noch erhöht wird. Fachwerkhäuser in Balkhausen (2002) Die Schleifkotten an der Wupper haben viele Jahrhunderte hindurch ihre für die Solinger Industrie entscheidend wichtige Aufgabe erfüllt. Wer wüßte zu sagen, wie viele "Liefermangen" - wie es früher üblich war - mit "schwarzer Ware" von den Schleiferfrauen aus der Stadt zum Kotten und mit geschliffenen Klingen wieder zurück gebracht worden sind! Es war ein eigenartig anmutendes Bild, wenn Frauen oder Töchter der Schleifer mit ihrer Bürde auf dem Kopf aufrecht einherschritten; ein mit Perlen gesticktes rundes Kissen bildete die Grundlage für das oft recht schwere "Jedrach" an Messern, das mit viel Geschick und Anstand bergauf, bergab und in die Stadt getragen wurde. Aber was Jahrhunderte hindurch in Übung war und unabänderlich schien, das haben die letzten Jahrzehnte in verhältnismäßig raschem Schritt gewandelt. Die zumal in der Winterzeit recht beschwerliche Schleiferarbeit hat sich allmählich von den Kotten in die Fabriken der Stadt verlagert, und in vielen Fällen ist die Handarbeit durch die Maschine verdrängt worden. Ist somit die Glanzzeit für die Solinger Wupperkotten vorbei, in der man, wenn man an der Wupper entlang ging, fast alle tausend Meter auf einen Kotten traf, aus dem man neben dem zischenden Schleifgeräusch oft harmonisch gestimmten Gesang vernahm und in dem neben der schweren Arbeit auch derber Humor zu seinem Recht kam, so ist es um so erfreulicher, daß alles dieses nicht der Vergessenheit anheimfallen, sondern daß die Erinnerung daran wachgehalten werden soll, sowohl durch den Kotten selbst als auch durch das in ihm einzurichtende Schleifermuseum. Wie lange der Balkhauser Kotten schon steht, ist uns nicht überliefert. Das im Staatsarchiv zu Düsseldorf aufbewahrte "Sohlinger Rhentmeisterey-Heebbuch" vom Jahr 1683/84 enthält eine Eintragung, nach der die damaligen Eigentümer des Kottens, Wilhelm Lauterjung und Johan Meis in Oberbalkhausen, jährlich einen Goldgulden 44 alb. und 8 Heller an "Wassererkenntnis" zu entrichten hatten. Aber damit ist über das tatsächliche Alter noch nichts gesagt;« Schon im Jahre 1922 gab Hendrichs das Hebebuch als zeitliche Referenz an. 31 Jahre später erwähnt er nicht die Jahreszahlen, die in diversen Veröffentlichungen ergänzend genannt wurden. Warum? Kannte er diese nicht? Vertraute er den Quellen nicht? Hielt er die Zuordnung für falsch? »denn hier wie an den vielen anderen Stellen der Wupper hat man geschliffen, seitdem man gelernt hatte, Wasserräder zum Antreiben von Schleifsteinen zu verwenden. Wann das der Fall war, wissen wir nicht genau; es dürfte aber um das Jahr 1300 begonnen haben. Von dieser Zeit an läßt sich der Einfluß der Wupperlandschaft auf die Entwicklung des Schwertgewerbes im Solinger Gebiet nachweisen. Dadurch daß die Schleiferstätten weitab von den Schmieden lagen, bildete sich hier früh der besondere Beruf der Schwertschleifer neben dem der Schwertschmiede und -feger aus. Das hatte im Gegensatz zu anderen Orten, wie Passau und Regensburg, wo auch Schwerter hergestellt wurden, die Fertigung aber in einer Hand blieb, eine Arbeitsteilung zur Folge, die eine Steigerung der Güte der Arbeit herbeiführte. Jedenfalls wird das Schleifermuseum mit dazu beitragen können, den beiderseits der Wupper vielfach noch anzutreffenden irrigen Ansichten entgegenzutreten, daß die bergischen Industrien vom Ausland her ins Leben gerufen worden seien; es wird vielmehr dazu verhelfen, die Bodenständigkeit der alten Industriezweige aufzuzeigen.« Ob Franz Hendrichs Hoffnungen und Träume zum Museum erfüllt und in seinem Sinne Wirklichkeit geworden sind, kann ich nicht beurteilen. Vielleicht schreibt mir ein Gast seine ersten Eindrücke nach dem Besuch des Museums.
Literatur:
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