Hans Brangs in: Die Heimat, Beilage zum Solinger Tageblatt, Mai 1959
Die erste sichere Nachricht über die frühere, im Tal des Solinger Baches zwischen Kannenbrühl und Altenbau gelegene Fruchtmühle[2] gibt die bekannte Karte von Ploennies aus dem Jahre 1715, die zwar nicht den Namen Städtgesmühle, sondern dort, wo die Mühle einst gestanden hat, die Bezeichnung "mühl" aufweist. Ihr Mühlrad ist aber nicht von den Wässern des Solinger Baches bewegt worden; denn die Mühle hat etwas höher am Osthang des Tales gelegen und ist vom Meigener Bach angetrieben, der in der Nähe des Mühlenanwesens in den Solinger Bach mündet.
Der Name der Mühle ist zweifellos auf eine alte Solinger Familie
namens Stetzges bzw. Stetges zurückzuführen, als deren erstes Mitglied
Johan Stetzgens, Jannes Sohn zu Veldt
genannt wird und der am
19.7.1670 den Solinger Bürgereid ablegt. Er ist wahrscheinlich identisch
mit Joannes Stetzjens, der am 23.9.1711 im Alter von 75 jahren verstarb. -
Ob aber der 1683/84 genannte Johan Stetsges zu feld
wirklich der
Begründer der Mühle gewesen ist, kann ebensowenig als sicher angesehen
werden wie die Darstellung, die Mühle sei aus einem von Peter Schaaf im
Jahre 1673 erbauten Schleifkotten hervorgegangen[1].
Von der Städtgesmühle ist erstmalig 1729 die Rede; in diesem Jahre, am
15. Oktober, verschied Clemens Stetzgens in d. Stetzgensmühle
.
Von einem seiner Nachkommen, Joh. Stetzges
ist 1750 die Rede; er
mußte damals für die Mühle an Wassererkenntnis 1 Taler 32 Albus an den
Landesherren zahlen. - Der bereits bekannte und früher schon genannte
Adolf Henrichs[1] ist bereits im Jahre 1750 Besitzer der Mühle. Aus der
Eintragung Joh. Stetzges (modo Adolf Henrichs)
geht zudem hervor,
daß Johann Stetzges sicherlich ein Nachkomme des vorgenannten Clemens
Stetzges gewesen ist. Der Sohn von Adolf Henrichs, Johann Peter
Heinrichs (auch Hindrichs), ebenfalls Müller, wohnte schon im Jahre 1770
in der Mühle. Er war verheiratet mit Anna Catharina Wupper[3] und starb in
seinem Mühlenanwesen am 15.9.1786 im Alter von 52 Jahren und 9 Monaten;
bei der lutherischen Gemeinde wurde er 19.9. öffentlich beerdigt. Er
hatte keinen männlichen Erben; sein Sohn Gerhard starb schon im Jahre
der Geburt am 24.12.1774. Auf diese Weise kam, wie später noch
ausgeführt wird, die Mühle in die Hände seiner Schwiegersöhne Böntgen
und Moll.
Das Mühlengebäude und das bewohnbare Nebenhaus waren so geräumig, daß
sie außer der Müllerfamilie auch noch weiteren Familien Wohnraum boten.
So werden beispielsweise 1796 die Eheleute Johann Lohe und Anna Maria
Morsbach in der Stetzgesmühle
genannt, aber ohne daß erkennbar
wird, ob der Ehemann als Müller oder Bäcker dort tätig gewesen oder
einem anderen Beruf nachgegangen ist, und im Jahre 1809 finden wir
ebendort, Haus Nr. 106 den Schleifer Johann Wilhelm Grah, Witwer von
Anna Catharina Wolferz. Ihr Söhnlein Peter Daniel kam damals im Alter von
vier Jahren auf tragische Weise ums Leben; nach einer Eintragung im
Sterbebuch der reformierten Gemeinde Solingen fiel es in einen Topf mit
heißer Milch.
1816 finden wir, wahrscheinlich in dem Nebengebäude der Mühle den Schwertschmied Samuel Hölterhof wohnhaft, der am 24.2. dieses Jahres die Ehe einging mit der dreißig Jahre alten Anna Wilhelmine Röltgen, Tochter der Eheleute Messermacher Wilhelm Röltgen und Anna Catharina Hoße. Der Bräutigam war Sohn der Eheleute Schwertschmied Johann Hölterhof (+18.3.1798) und Maria Gertraud Pickard (+ am 4.8.1798).
Die früher ausgesprochene Vermutung[4], die Mühle müsse schon vor dem 31.7.1809 einmal zum Verkauf gestellt worden sein, wird durch eine Bekanntmachung vom 29.5.1809[5] bestätigt:
In Sachen Wittiben Fr. von den Steinen wider Dan. Böntgen wird zum
Verkauf des einen dritten Theils der im Ganzen mit den dazu gehörigen
Gebäuden, Ackerland und Wiesen auf 3211 Rthr. 22 Stbr. abgeschätzten
Stetzgensmühle die Tagesfahrt auf 31. Julius, nachmittags 2 Uhr, dahier
bei Gericht festgesetzt.
Die Witwe von den Steinen hieß in Wirklichkeit Anna Gertrud vom Stein und war die Witwe eines Clemens Stezges; sie wurde in Cronenberg getauft und heiratete in zweiter Ehe in Solingen bei der reformierten Gemeinde Johann Peter Kaiser. Der in der Bekanntmachung weiter genannte Böntgen (Johann Daniel) war der Schwiegersohn von Johann Peter Heinrichs; er heiratete am 26.6.1803 in Solingen (ref.) dessen Tochter Helene Catharina und wird damals als Schenkwirt zu Klauberg bezeichnet.
Ein weiterer Anteil der Mühle befand sich im Eigentum einer anderen Erbtochter, Johanna Catharina Hendrichs, die mit ihrem Ehemann, dem Schleifer Johann Wilhelm Moll im Jahre 1798 in der Städtgesmühle wohnte und dort, nach vorübergehendem Aufenthalt in Theegarten (1796) auch noch 1805, 1809 und 1811 nachzuweisen ist.
Als nächster Müller begegnet uns Peter Mebus, der am 13.6.1814 in Dorp die Amalie Clauberg, Tocher der Eheleute Schleifer Nathanael Clauberg und Maria Catharina Windhöfel heiratete. Mebus stammte von Neukirchen, war lutherischer Konfession und wurde am 26.12.1782 in Neukirchen als Sohn der Eheleute Wilhelm Mebus und Maria Catharina Wolff geboren. Vielleicht war er es, der im Jahre 1811 die Mühle zum Eigentum erworben hatte. Der spätere Mühlenbesitzer Daniel Wupper scheint das Anwesen käuflich erworben zu haben; denn es ließen sich keine Tatsachen ermitteln, die auf eine Erbfolge hindeuten. Wupper hat wiederholt seinen Beruf gewechselt; wie sein Vater ist er wohl ursprünglich Schwertschmied gewesen und als solcher wird er im Jahre 1820 genannt, wohingegen er uns vorher (1812) als Mehlhändler begegnet. Zwischen 1824 und 1828 hat er eine Schenkwirtschaft betrieben und zu allen diesen Zeiten war er in Klauberg wohnhaft. Dort wurde er auch geboren (getauft Solingen - ref. - 12.2.1788) als Sohn der Eheleute Peter Wilhelm Wupper und Johanna Catharina Baurmann und war seit dem 15.5.1812 (Dorp) mit Eva Maria Grah, Tochter der Eheleute Messerreider Wilhelm Grah und Anna Maria Adrian zu Klauberg verheiratet. Beim Tode seiner Ehefrau, am 6.2.1838, wird Daniel Wupper noch Bäcker zu Klauberg genannt. Er ist also zu dieser Zeit nocht nicht Müller zu Städtgesmühle gewesen; 1839 wird aber ein Peter Isaac Raspe, Müller zu Klauberg, erwähnt, der zu dieser Zeit im Alter von 37 Jahren stand. Da in Klauberg niemals eine Mühle betrieben worden ist, liegt die Vermutung nahe, daß Raspe zu Städtgesmühle seinem Müllerhandwerk nachgegangen ist. Bei der Heirat seiner Tochter Maria Magdalena mit dem Lohgerber Cassenberg am 21.6.1845 wird Daniel Wupper erstmalig als Müller und Bäcker zu Städtgesmühle bezeichnet. Sicherlich bis zum Jahre 1847 stand ihm als Müller und Bäcker sein Sohn Gustav Wupper, geboren zu Klauberg am 11.2.1817, zur Seite, der allerdings später Winkelier in Solingen war und dort am 7.5.1861 starb. An seine Stelle ist wahrscheinlich als Bäcker Carl Alexander Dunkel getreten, der sich schon im Jahre 1848 nachweisen läßt [6].
Daniel Wuppers Tochter, Sara Wupper, geboren zu Klauberg am 28.11.1814, hatte zu Dorp am 1.7.1837 Carl Samuel Steinijans geheiratet. Das junge Ehepaar wohnte zwar nach der Hochzeit zu Städtgesmühle, aber der Ehemann blieb in seinem Beruf als Seidenweber bis zu seinem Tode am 2.10.1848. Sein Vater, Heinrich Steinejans (+ Gönrath 7.8.1818) stammte aus Reusrath und scheint als Seidenweber auch Handel getrieben zu haben. Am 31.5.1804 heiratete er bei der lutherischen Gemeinde Maria Anna Gertrud Dinger, die Tochter der Eheleute Achersmann Daniel Dinger und Anna Maria Clarenbach zu Gönrath. Sara Wupper ging nach dem Tode ihres Ehemannes zu Dorp am 29.3.1853 eine zweite Ehe ein mit Wilhelm Wannhoff, der als Bäcker und Erstknecht in der Mühle schaffte. Wannhoff stammte von Richrath und wurde dort am 3.9.1822 als Sohn der Eheleute Tagelöhner Johann Wannhoff und Maria Sibylla Plümacher geboren. Nach der Heirat verließ er mit seiner Frau die Städgesmühle und von 1853 bis 1857 finden wir ihn als Bäcker in Nümmen. Saras Bruder Gustav hatte, wie wir bereits erfahren haben, das väterliche Anwesen verlassen und zu dieser Zeit sind wahrscheinlich die Eheleute Wannhoff nach der Städtgesmühle zurückgekehrt. Am 27.12.1859 wird dort ihre Tochter Berta geboren, die sich später mit Wilhelm Gossen verheiratete.
Daniel Wupper starb in der Städtgesmühle am 6.1.1862. Am 13.4.1863 wurde
die Städtgen-Mühle
taxtiert zu 4547 Taler, 11 Silbergroschen und
6 Pfennig von den Erben Wupper zum Verkauf gestellt. Zu dieser Zeit war
Hermann Emil Eßers[7] als Bäcker dort tätig; zu Dorp heiratete er am
7.4.1863 die aus der Bertramsmühle stammende Ida Ueßeler. An ihn
verkaufte Wilhelm Wannhoff um 1880 sein Mühlenanwesen, um sich am
Altenbau niederzulassen, wo er einen Steinbruch und ein Fuhrgeschäft
betrieb. In seinem Steinbruch ist er wohl verunglückt; denn er wurde
dort am 4.3.1884 tot aufgefunden.
Die Mühle wurde am 22.4.1909 durch Feuer vollkommen zerstört. Das Solinger Kreis-Intelligenz-Blatt berichtete[8] über das Schadenfeuer:
Eine der ältesten Mühlen unserer Umgebung, die zwischen Altenbau
und Theegarten gelegene Städtgesmühle, ist heute morgen ein Raub der
Flammen geworden. Gegen etwa 5 Uhr wurden die Bewohner aus dem Schlaf
geweckt und konnten nur das Allernotwendigste retten. Die
Rettungsarbeiten verzögerten sich wesentlich, weil man zu der
Brandstätte nur unter großen Schwierigkeiten mit den schweren
Löschgeräten gelangen konnte, ferner weil sich in der Nähe kein
Wasserleitungsanschluß befindet. Trotzdem die 2. Abteilung der Feuerwehr
tatkräftig eingriff, war das eineinhalbstöckige Gebäude mit den
verschiedenen kleineren Anbauten in kurzer Zeit vollkommen eingeäschert.
Die Mühle, die Eigentum des Ackerers Esser war, war wie auch das
Mobiliar, versichert. Entstehungsursuche ist unbekannt.
Wer 2005 von Altenbau aus dem Städtgesmühler Bach entlang dem Wanderweg mit der Markierung N bachaufwärts folgt, der wird nur noch wenige der hier beschriebenen Dinge finden.
Die Reste des Steinbruches zu Altenbau sind noch sehr gut erkennbar.
Der Städtgesmühler Bach ist fest in ein künstliches Bett eingezwängt.