Schleifkotten an der Wupper – Heiler Kotten


Wanderbuch

Wie schon an anderer Stelle erwähnt, fand ich in unserem Bücherregal dieses unscheinbare Buch aus dem Jahre 1922. Hier das Kapitel zum Heiler Kotten.

[ Hendrichs, Franz: Die Schleifkotten an der Wupper, Köln 1922, S.49ff ]

Franz Hendrichs
Heiler Kotten

»Wir folgen weiter den Wupperwindungen und gelangen noch vor den Ortschaften Wüstenhof-Wupperhof zum Heiler Kotten. Der heute als Innenkotten im Betrieb befindliche Ziegelbau ist erst 1895 auf den niedergebrannten Trümmern seiner Vorgänger errichtet worden. Die Schreibweise seines Namens ist recht verschieden, neben Heiler lesen wir Hailer und auch Hailler Kotten. Früher hieß er der Schleifkotten "In der Heel", was soviel wie "in der Schlucht" bedeuten mochte. Zuerst hören wir hiervon in dem mehrfach angezogenen Heberegister zu Nesselrath, wo es heißt:

"Schleiffer Gorgus Im Broch und Petter uffm Berg, geben auß einem Kotten Inn der Heel, so zuvorn Clemens Nusch eingehabt, Järlichs 4 R.dlr., 1 Hun und 1 # Gimber."
Ferner:
"Schleiffer Göddert Inn der Königs Mühle hat mit dem Herrn Kettler gehandelt, daß er den verlohrenen Schleifkotten Inn der Heel gegen den Wupperhof uff seiner selbs Kosten wider ufpauen, und mit schleiffen gebrauchen soll. 24 pleipende Jar, soll jedes Jar und uff Martiny dissen Jahres 1605 ds erste mal Pacht geben: geltt 1 R.dlr. und 1 Hun."

Diese Angaben berechtigen zu dem Schlusse, daß vor 1605 und zwar schon recht lange an dieser Stelle zwei Schleifkotten gestanden haben, und aus späteren Urkunden können wir entnehmen, daß fast bei jedem notwendig gewordenen Neubau eine Vergrößerung der Baulichkeiten und der Wasserräder und damit eine bessere Ausnutzung der Wasserkraft vorgenommen wurden ist. Besonders durchgreifende Änderungen sind 1854 an dem damaligen Doppelkotten erfolgt. Berg- und Wupperkotten, d.h. Außen- und Innenkotten, waren bis dahin je 53' lang und 18' bezw. 19' breit gewesen. Der Bergkotten wurde damals auf 72 1/2' Länge und 37 1/2' Breite erweitert, ein Erdgeschoß zur Aufnahme von zwei großen 7 füßigen Schleifsteinen, dazu 5 Zimmer mit 36 Arbeitsstellen, endlich im ersten Stock ebenfalls 5 Zimmer mit 36 Arbeitsstellen eingerichtet. Ähnlich wurde die Umänderung bei dem Wupperkotten ausgeführt. Die Wasserräder, die bisher beide einen Durchmesser von 14.8' hatten, wurden in der Weise vergrößert, daß das eine auf 15.83' und das andere auf 16.32' im Durchmesser kam. War die Breite der Räder, also die Schaufellänge,früher 3', so wurde sie jetzt auf 5'4'' bei einer Schaufelhöhe von 16'' bemessen. Die Schleusenöffnungen, die "Schützen" für die Räder, erhielten eine Weite von 6'5'' bei einer Öffnung von 22''. Endlich wurde eine Sommerstau von 6'' auf die Schlagt aufgesetzt, um bei kleinem Wasser das bei der Nacht herabkommende Wasser aufzuhalten, also nicht unbenutzt vorbeifließen zu lassen.

Die Anträge zu diesen durchgreifenden Änderungen in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts tragen die Unterschriften von Mitgliedern der Familien Schaberg, Linder, Knecht, Weck, Ern und Moll. Bei den Verhandlungen über diese Anträge wurde festgestellt, daß zwischen Heiler und Obenrüdener Kotten ein "Freigefälle" von 10 ¾'' vorhanden war, d.i. der Höhenunterschied zwischen Oberkante der Schlagtkrone des Obenrüdener Kottens und dem Gerinne unter dem Rade des Heiler Kottens. Die Zustimmung seitens der Eigentümer des Obenrüdener Kottens zu diesen Änderungen des Heiler Kottens wurde durch die Erlaubnis zur Erhöhung der Schlagt des Obenrüdener Kottens um 3'' herbeigeführt.

Als alleinige Eigentümer des Heiler Kottens sind zur dieser Zeit Winfried Evertz und Familie Meis, beide Obenwiddert, zu nennen.

Der Heiler Kotten, der seinem schmucklosen Äußeren nach keine besondere Beachtung beanspruchen kann, verfügt über ein günstiges Wassergefälle von nahezu zwei Metern und weist im Inneren die neuzeitlichste Schleifereianlage an der Wupper auf. Abb. 22 gibt den Grundriß des Kottens nebst einem Aufriß durch den Hauptantriebsraum und läßt uns besser, als dies viele Worte vermögen, erkennen, wie die Kraftübetragung vor sich geht und wie die Anordnung in den verschiedenen Arbeitsräumen getroffen ist. Zugleich lernen wir eine dritte Art der Antriebsübermittlung von der Eichbaumwelle kennen: Durch Zahnräder verschiedener Größe, die beide mit Außenverzahnung versehen sind. Die Umdrehungszahlen der einzelnen Achsen sind vermerkt. Während das Wasserrad etwa 16 Umdrehungen in der Minute macht, weisen die Läuferachsen l1 und l2 eine Umdrehungszahl von 280 auf. Von den darauf befestigten großen Läuferscheiben erhalten die einzelnen Arbeitsstellen, die Pließtstellen ihren Antrieb und zwar mit Hülfe von vier schmalen Riemen, gleich vier von einer Scheibe aus. Die Umdrehungszahl für die Pließtachsen beträgt etwa 1400 in der Minute.

Grund- und Aufriß des Heiler Kottens
Abbildung 20: Grund- und Aufriß des Heiler Kottens

A stellt das Steinhaus dar. Vier senkrechte Schlitze sind in der Wand gelassen, um ein bequemes Herein- und Herausrollen der Schleifsteine zu ermöglichen. Diese Schlitze sind für gewöhnlich mit Bohlen zugestellt. Die übrigen Räume sind Pließtstuben, in denen jedoch auch einige große Schleifsteine Aufstellung gefunden haben. Der Plan weist insgesamt 40 Arbeitsstellen auf. Dazu kommen noch über diesen Pließtstuben im ersten Stockwerk ähnlich eingerichtete Räume. Der Heiler Kotten bietet somit für etwa 60 Schleifer Arbeitsgelegenheiten, und ein Besuch zeigt, daß hier eine sehr rege Tätigkeit im Schleifen fast aller Solinger Schneidwaren herrscht.«

Soweit die Schilderungen von Franz Hendrichs.

Mein erster Besuch fand im Oktober 2001 statt. Da wohnt man fast 40 Jahre in Solingen und dieser Fleck auf der Karte ist noch weiß, unglaublich: Heiler Kotten 2001

Südansicht im Sommer 2005

©2002-2005, Michael Tettinger, So. 06.01.2002, letzte Änderung: So. 02.10.2005