Aus der Freitagsausgabe der Solinger Morgenpost (11. Juni 1999):
(arp). Das wird ein hartes Stück Arbeit: Die Solinger Landjugend legt
in 72 Stunden den Wassergraben am Balkhauser Kotten frei, der seit dem
Zweiten Weltkrieg zugeschüttet war. Einen Graben am Kotten, damit
sich das Wasserrad am Kotten besser drehen kann, das ist der langgehegte
Traum des Curatoriums Balkhauser Kotten
, so Curt Meis, der als Agent
die Aufgabe stellte. Am Sonntag abend soll die Arbeit getan sein. Für
die 72-Stunden-Aktion konnten die Landjugend 20 Mitglieder gewinnen, die
fast rund um die Uhr arbeiten werden. Bereits heute früh sollen die
Sträucher und Bäume entlang der Trasse entfernt sein. Die Landjugend
wußte bis gestern 18 Uhr nicht, welche Aufgabe sie bewältigen muß.
Aus der Samstagsausgabe der Lokalzeitung - ein Reporter der Solinger Morgenpost berichtet am 12. Juni 1999 vom Ort des Geschehens:
Manchmal hat Curt Meis ja den Schalk im Nacken. Baut eine Seilbahn
von Glüder nach Witzhelden - in 72 Stunden.
20 Mitgliedern der
Solinger Landjugend entgleiten die Gesichtszüge. Doch die Sorgenfalten
auf der Stirn der 19jährigen Landjugendvorsitzenden Gaby Yzerman wollen
nicht weichen, nachdem Meis Ernst machte: Ihr sollt den Obergraben am
Balkhauser Kotten freilegen.
Das war am Donnerstag, um 18 Uhr.
Die Rheinische Landjugend hat sich Höhscheids Bezirksvorsteher Curt Meis als Agenten ausgesucht. Ihm oblag es, den Solinger Nachwuchs-Landwirten die Aufgabe zuzustellen, die die 20 jungen Leute bis morgen abend Punkt 18 Uhr, bewältigt haben sollen - in 72 Stunden. Die Idee ist von der Fernsehsendung 'Jetzt oder nie' abgekupfert. Zum 50jährigen Bestehen der Landjugend in Deutschland werden 200 Gruppen in der Republik so für das Gemeinwohl aktiv werden.
50 Jahre, so lange ist der Obergraben am Balkhauser Kotten auch schon
zugeschüttet. Damals, nach dem Zweiten Weltkrieg, da waren Deponien
knapp; der Graben am Kotten kam gerade recht. Wir müssen so tief
graben, wie ein zweistöckiges Haus hoch ist
, seufzt Gaby Yzermann
nach einem Blick auf den Plan. Doch zum Stöhnen bleibt nicht lange Zeit.
Donnerstag, 18.45 Uhr, drei Anläufe braucht der Treckerfahrer der
Landjugend schon, bis der Bauwagen vor dem Kotten plaziert ist. Kein
Bauwagen, in dem man schlafen kann. Die 20 Mitglieder der Landjugend, 16
Jungen, vier Mädchen im Alter zwischen 16 und 30 Jahren, schwärmen aus,
Gerät heranholen. So eine Motorsäge hat man als Landwirt schon im
Haus
, meint Andreas Conrads.
Er wird sie brauchen. Bis halb eins in der Nacht zu Freitag legte die
Landjugend die Trasse für den Graben frei, 165 Meter lang soll er
werden, bis zu vier Meter tief - das heißt rund 1800 Kubikmeter Aushub
fallen an - so viel, wie auf 100 große Kipper passen. Wer jetzt annimmt,
die Landjugend schaufelt den Graben mit dem Spaten frei, fährt den
Schutt mit dem Traktor ab, der irrt: Sinn und Zweck der Aktion ist es
auch, Sponsoren zu finden. Agent Meis empfahl der Landjugend, sich an
das Bauunternehmen Del Gaudio zu wenden. Spontan stellte es einen Bagger
und Kipper zur Verfügung. Denn der Schutt muß von Balkhausen bis nach
Ohligs aufs Klopp-Gelände gebracht werden. Na ja, so spontan auch nicht,
Meis hatte zuvor schon mal angefragt. Es ist erst der zweite Kipper
weg, wir liegen hinter dem Zeitplan
, so eine besorgt wirkende Gaby
Yzermann gestern nachmittag.
Leichter Regen setzt ein. Lars Fischbach und Timo Redmer steigen in
die Tiefe, legen am Wasserrad des Kottens die Meßlatte an. Derweilen
rollen Landjugend-Funktionäre an. Wir sind die Schuldigen, die sich
das ausgedacht haben
, bekennt Elke Mayer aus dem Vorbereitungsteam.
Zumindest im Rheinland haben die Solinger die härteste Aufgabe
erwischt, aber die schaffen das.
Die Junglandwirte aus der Klingenstadt nehmen die Funktionäre nur am Rande zu Kenntnis. Sie räumen schon das Gestrüpp - 100 Meter vom Kotten entfernt - weg. Und auch, wenn der Bagger seine Arbeit getan hat, ohne Nachbesserungen mir der Schaufel wird sich das Rad am Kotten nie drehen. Möglicherweise drehen auch die Aktiven der Landjugend schon heute am Rad. Schon in der Nacht zum Freitag haben einige gar nicht geschlafen. Und es gibt noch viel zu baggern. Ein Obergraben am Balkhauser Kotten - davon hat das Curatorium des Kottens schon 50 Jahre lang geträumt. Die Landjugend hat nur 72 Stunden, um diesen Traum wahr werden zu lassen.
Soweit diese Reportage. Einiges in diesem Beitrag dürfte dem Kapitel kreative Geschichtsschreibung zuzuordnen sein. Beispielsweise kann die Behauptung, dass der Obergraben 1949 (=1999 - 50 Jahre) mit Kriegsschutt verfüllt wurde, nicht zutreffen. Der Obergraben am Balkhauser Kotten war nachweislich mindestens bis Oktober 1957 intakt. Zu diesem Zeitpunkt brach bei einem bemerkenswerten Hochwasser der Damm des Obergrabens.
Und in einem Punkt muss ich das Kuratorium in Schutz nehmen: Bekannterweise fällt dieses zuweilen in den Dornröschenschlaf und träumt sehr gerne, aber 50 Jahre kann dieser Zustand wahrlich nicht anhalten: Das Kuratorium wurde erst im August 1958 gebildet.
Noch etwas hat sich geändert: Höhscheids Bezirksvorsteher Curt Meis (zum Zeitpunkt der Berichterstattung) gab mittlerweile seinen Stadtbezirk in Solingen ab und übernahm Ende 2004 den Vorsitz des Kuratoriums zur Pflege Solinger Baudenkmäler.
Am Montag, den 14. Juni 1999, vermeldet 'arp' in der Solinger Morgenpost das Erfolgserlebnis:
(arp). Die Solinger Landjugend hat es geschafft: Der Obergraben am
Balkhauser Kotten ist gegraben. Die 72-Stunden-Aktion, über die die
MORGENPOST am Samstag ausführlich berichtet hat, war erfolgreich. Wir
sind sehr stolz aber auch völlig übermüdet
, so
Landjugend-Vorsitzende Gaby Yzerman gestern abend. In einer kleinen
Feier wurde der Obergraben gestern abend dem Curatorium Balkhauser
Kotten übergeben.
Der lokale Platzhirsch, was die Berichterstattung angeht, schrieb damals: (Solinger Tageblatt)
(sith) Um Punkt 18 Uhr gestern abend fiel der Startschuß für eine ganz ungewöhnliche Aktion. 20 Mitglieder und Freunde der Solinger Landjugend warteten am Campingplatz Glüder auf ihre 'Jubiläums-Aufgabe'. Denn das 50jährige Bestehen wollte die Landjugend nicht mit einer großen Fete, sondern mit einem sinnvollen Engagement für ihre Stadt feiern.
In 72 Stunden ein ganzes Projekt auf die Beine stellen, das war die Idee, die jetzt zeitgleich 200mal in ganz Deutschland und alleine zehnmal im Rheinland läuft. Worum es bis Sonntagabend, 18 Uhr, genau geht, das verriet gestern der 'Agent', der Höhscheider Bezirksvorsteher Curt Meis, der ebenso wie die Aufgabe bis zur letzten Minute geheim war.
In nur 72 Stunden soll der Wassergraben am Balkhauser Kotten
freigelegt werden. Dieser Graben ist nach dem zweiten Weltkrieg
mangels Deponien zugeschüttet worden
, erklärte Meis. Noch gestern
abend beratschlagte die Landjugend vor Ort in ihrem
'Bauwagen-Stützpunkt', wie man die Aufgabe jetzt angehen kann.
Zunächst müssen Bäume und Sträucher von der Trasse entfernt werden.
Dann wird die Erde aus dem Graben gehoben. Eine Zusage gibt es schon,
Erde und Schutt auf dem Gelände der Firma Klopp zu deponieren, wo nächste
Woche ohnehin die Abbrucharbeiten beginnen werden. Auch von anderen
Firmen und Baumärkten haben wir schon vorab Unterstützung zugesagt
bekommen - von der Pizza-Lieferung über Werkzeuge bis zu
Geldspenden
, erzählt Gaby Yzermann, die Vorsitzende der Solinger Landjugend.
Daß sie die ihnen gestellte Aufgabe schaffen werden, daran haben die
Jugendlichen zwischen 15 und 30 Jahren keinen Zweifel. Und selbst wenn
es in den geplanten 72 Stunden nicht ganz klappt, werden die
Jugendlichen die Arbeiten auch darüber hinaus auf jeden Fall zuende
bringen. Natürlich wird die ganze Sache auch dokumentiert und im
Sommer beim Deutschen Landjugendtag in Cottbus ausgestellt
, verrät
Tim Neues aus Landesvorstand der Rheinischen Landjugend.
Am Mittwoch, 16. Juni 1999 stand folgende Vollzugsmeldung im Solinger Tageblatt:
(sith) Exakt 72 Stunden - von Donnerstag 18 Uhr bis zum Sonntag 18 Uhr - hatten die Mitglieder der Solinger Landjugend und ihre Freunde Zeit für die 72-Stunden-Aufgabe, die Bezirksvorsteher Curt Meis ihnen als 'Agent' der Rheinischen Landjugend gestellt hatte. In einem gemeinsamen Kraftakt haben es die etwa 30 Jugendlichen geschafft und den Wassergraben am Balkhauser Kotten wieder freigelegt.
Gleich am Donnerstagabend nach Bekanntgabe der Aufgabe, die anläßlich
des 50jährigen Bestehens der Rheinischen Landjugend gestellt worden war,
hatten die Jugendlichen losgelegt. In der ersten Nacht haben wir bis
1.30 Uhr durchgearbeitet
erinnert sich die 19jährige Gaby Yzermann,
Vorsitzende der Solinger Landjugend. Das erste Problem: Mit dem Bagger
kappten sie ein Stromkabel. Noch in der Nacht haben wir einen
Elektriker und den Großhandel rausgeklingelt und wurden mit
Reparatur-Gerät versorgt
, so Yzermann.
Mit Kettenbagger und Mini-Bagger - alles von Sponsoren zur Verfügung gestellt - wurde drei Tage lang gearbeitet. 149 Meter Graben, an der tiefsten Stelle 4,36 tief, wurden ausgehoben. 146 Sattelzüge brachten insgesamt 3500 Tonnen Erde und Schutt auf das Klopp-Gelände nach Ohligs. Pünktlich am Sonntagabend war die Aufgabe erledigt. Zur Belohnung gab es eine Feier und für einige Landjugend-Mitglieder ein mehr oder weniger freiwilliges Bad in der Wupper.
Gestern traf sich die Landjugend noch einmal, um die Wände des ausgehobenen Grabens als Regenschutz mit Folien abzudecken.