Schleiferei Wipperkotten

Ausflugstipp

Am 4. August 2004 empfahl die Solinger Morgenpost ihren Lesern den Wipperkotten als Ausflugsziel:

Sommertour: Vom Schleifstein erschlagen
Autor: Markus Erlinghäuser-Keller

Solingen (RP). Solingen, die Stadt der scharfen Messer. Kein Wunder, dass es dort romantisch gelegenen Kotten gibt, in denen man das traditionelle Schleifen von Metall noch erleben kann. Doch die Tradition hat auch ihre Schattenseiten. Schauderhafte Geschichten vom "springenden" Stein sind da überliefert.

Beim Schleifen konnte ein Schleifstein, so massiv manche zwei Meter große Exemplare auch scheinen mögen, schon mal zerspringen. "Mir selbst sind bereits fünf Steine kaputt gegangen", schildert Herbert Loos, Scherenschleifer im Wipperkotten. Wenn ein Stein zu platzen drohe, laufe er erst unruhiger und werde unwuchtig. Dann könne man gar nicht schnell genug in Deckung gehen.

Alljährlich ist es noch vor 100 Jahren in den Kotten zu Unfällen gekommen. "Da hat ein herausgebrochenes Stück so manchem den Brustkorb zerquetscht", berichtet Loos. Bis auf einige Splitter in den Händen sei bei ihm immer alles gut gegangen.

Doch auch wenn neue Schleifsteine aus der Eifel angeliefert wurden, bestand Gefahr, zerquetscht zu werden. So soll einst ein Stein beim Transport auf unebener Strecke ins Rutschen gekommen sein, den Kutscher vom Wagen gerissen und erdrückt haben.

"Allgemein hatten Schleifer früher nur eine geringe Lebenserwartung von knapp über 30 Jahren", weiß der Scherenschleifer. Als ob die Gefahr durch den ratternden Schleifstein nicht genug wäre, auch die so genannte Schleiferkrankheit sorgte für ein frühes Ableben.

Vor allem der beim Trockenschleifen, beim Pliessen und Polieren entstehende Schleifstaub aus Metall- und Sandpartikeln machte die Arbeiter häufig krank. Staublunge und Schleiferasthma waren die Folge. Heute machen Absaugvorrichtungen und Schutzabdeckungen die Arbeit der Schleifer sicherer.

Noch heute werden im an der Aue der Wupper gelegenen Wipperkotten Scheren und Messer geschliffen. Das denkmalgeschützte Bauwerk beeindruckt durch sein tosendes Wasserrad. Und im benachbarten Museum findet der Besucher sie, die Spur zum springenden Stein. Bedrohlich hängt da ein Bruchstück eines alten Schleifsteins an der Wand. Eine Art Mahnmal, denn vor fast zwei Jahrhunderten platzte dieser Stein und erschlug den an ihm arbeitenden Schleifer.

Und den armen Handwerker sollte dieser Stein auch noch bis ins Grab verfolgen. Ironischer Weise wurde des Schleifers Todeswerkzeug umfunktioniert und diente zeitweise als dessen Grabstein, wie eine Inschrift belegt. Wipperkotten in Solingen, Telefon 0212/811220, www.schleiferei-wipperkotten.de

Soweit der Artikel in der Solinger Morgenpost. Der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, dass der Wipperkotten aus zwei Gebäuden besteht. Neben der Schleiferei im Außenkotten steht noch der Innenkotten, in dem die Familie des Designers Rodenkirchen das angesprochene Museum betreibt.
www.wipperkotten.de

Die gefürchte Staublunge, auch Silikose genannt, entsteht primär nicht durch das Einatmen von Staub, sondern durch das Einatmen der freien kristallinen Kieselsäure (SiO2) in mineralischen Stäuben. Neben den Absauganlagen brachte das Verbot der Natursteine (Schleifsteine aus Sandstein; Anfang des 20. Jahrhunderts; 1929 wurde die Silikose als Berufskrankeit anerkannt) und die Einführung von Kunststeinen erst eine spürbare Verbesserung der gesundheitlichen Situation der Schleifer.

Die Inschrift auf dem als Grabstein zweckentfremdeten Schleifstein lautet: " .. WELCHER 10 DEN SEPTEMBER 1824 DURCH DIESE STEIN SEIN LEBEN EINGEBüSET HATT."

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©2004 Michael Tettinger, Do. 05.08.2004 - Do. 05.08.2004