Erzählt am 4. August 2005 im Solinger Tageblatt:
"Die Wupper würde mir fehlen"
Sie wohnen dort, wo andere sich in ihrer Freizeit erholen: an der Wupper. Wie lebt es sich direkt am Fluss?
- Leben in einer Idylle: Dieter Kierst und Lisa Demmer mit ihrem Irischen Wolfshund "Bran"
auf der Fußgängerbrücke hinter ihrem Kotten in Obenrüden. Foto: Christian Beier
Wenn Lisa Demmer (42) und ihr Lebensgefährte Dieter B. Kierst (51) am
Wochenende aus dem Fenster blicken, sehen sie Horden von Spaziergängern,
Joggern und Radfahrern vorbeiziehen. Denn sie wohnen da, wo andere ihre
Freizeit verbringen: an der Wupper. Eine Landschaft, an der ich mich
nicht leid sehe
, sagt Lisa Demmer. Seit zehn Jahren lebt sie im
Obenrüdener Kotten, und sie will nie wieder weg.
Als die Renovierung des Kottens 1993 begann, war das Industriedenkmal
unterhalb des Rüdensteins in einem jämmerlichen Zustand. Die Fenster
waren eingeschlagen, das Gebäude glich einem Rohbau, und in der Erde
steckten Schleifschlämme - Altlasten aus den Jahrzehnten, in denen dort
Schneidwaren geschliffen, poliert und gepließtet wurden. Aufwändige
Sanierungsarbeiten haben aus dem Kotten ein Schmuckstück gemacht - mit
400 Quadratmetern Fläche, inklusive eines Veranstaltungsraums.
Dass Spaziergänger täglich am Haus vorbeilaufen, macht Lisa Demmer
und Dieter Kierst nichts aus. Die meisten sind sehr nett. Und es ist
schon berührend, mit alten Solingern zu sprechen, die im Kotten gelernt
haben
, sagt Kierst. Aber es kommt auch vor, dass Grenzen überschritten
werden: Wir hatten auch schon mal eine Gruppe im Schlafzimmer stehen.
Doch wenn der Sommer zu Ende geht, werde es ruhiger im Tal. Dann
erstarre das Leben an der Wupper etwas: Von November bis Mitte Februar
haben wir keine direkte Sonne. Aber das Düstere hat auch seinen
Reiz.
Einkäufe muss die Familie mit dem Auto machen. Es gibt keine Läden in
Rüden. Lisa Demmer: Man gewöhnt sich daran.
Schließlich haben sie fast
jeden Tag das Kontrastprogramm zur Beschaulichkeit am Fluss: Lisa Demmer
arbeitet in Köln, und Dieter Kierst ist als Unternehmensberater viel
unterwegs. Wenn wir in Köln waren, freuen wir uns jedes Mal, dass wir
zurück zum Kotten können
, sagt der 51-Jährige. Und zurück zum Fluss.
Die Wupper hat etwas Anheimelndes
, sagt Lisa Demmer. Und durchaus auch
praktische Gesichtspunkte: Früher sind die Kinder mit dem Kanu zu Opa
und Oma nach Opladen gefahren.
Eine Kanutour hat Wolfgang Wandel (51), der einige Kilometer
flussaufwärts in der Kohlfurth lebt, noch nie gemacht - obwohl er an der
Wupper aufgewachsen ist. Auch er möchte den Fluss nie verlassen:
Schöner kann man es nicht haben.
Der Garten unterhalb seines
Elternhauses, das sein Urgroßvater 1913 gebaut hat, reicht bis ans Ufer.
Als Kind habe er dort Steine "gefitscht" und Knatterbötchen fahren
lassen. Doch er erlebte auch die hässliche Seite: Die Wupper hatte
jeden Tag eine andere Farbe.
Heute leben seine Eltern, seine Frau und Tochter sowie
ein Bruder mit seiner Familie in dem Altbau. Ich habe nie überlegt,
wegzuziehen. Es ist einfach eine Idylle hier unten.
Eine Idylle,
mit der seine Frau Petra allerdings zu kämpfen hat. Sie
hat Probleme mit den Bronchien - "seit ich hier wohne". Ihm selbst
machen die feuchte Luft und die etwas düstere Atmosphäre
im Winter nichts aus. Bei schönem Wetter ist es hier dafür
super-angenehm.
Die Beschwerden seiner Frau wären für
Wandel der einzige Grund, die Kohlfurth zu verlassen. Aber richtig
vorstellen mag er sich das nicht: Wenn ich längere Zeit
von der Wupper weg wäre, würde mir etwas fehlen.
Von Anja Schmid
04.08.05