Solingen: Kotten - Schleifsteine, Bericht von Hofrat Friedrich Heinrich JacobiIn den Jahren 1773 und 1774 erstattete der Hofkammerrat, Philosoph und Schriftsteller Friedrich Heinrich Jacobi Bericht über die Industrie der Herzogtümer Jülich und Berg.
Acta, die von Ihro Churfürstln. Durchlaucht zu Pfalz p.p. höchst Dero
Hof Cammerrathen Jacobi gnädigst aufgetragene Commission, das Commerzium
in den beyden Herzogthümern Jülich und Berg zu untersuchen betreffend.
Auftraggeber war der Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz ... Es folgt ein Auszug einer Kostenaufstellung, die dem Bericht beiliegt. Beylage Nr. 2.Aufnahme der Degenklingen und Messer-Fabrik zu Sohlingen
Quelle: Bericht des Hofkammerrats Friedrich Heinrich Jacobi über die Industrie der Herzogtümer Jülich und Berg aus den Jahren 1773 und 1774. Herausgegeben von W. Gebhard zu Elberfeld. In: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins, 18ter Band, Jahrgang 1882, Bonn 1883, S. 1-148. Hettdorf == Hitdorf, Sohlingen == Solingen Eigentlich wollte ich den weiteren Text von Jacobi nicht wiedergeben, finde ihn aber bemerkenswert: Die Quantität der bey mittelmäßiger Handlung in einem Jahre verfertigt werdenen Degen Klingen ist darum zu 1800 Centner und der Messer zu 8000 Centner angesetzt; von beyden könnte aber, der Zahl der hiesigen Fabrikanten nach, doppelte Quantität jährlichs fabricieret werden, wenn nicht die in anderen Ländern vor und nach entstandene ähnliche Fabriken der Sohlinger Abbruch thäten. Das Haus Oesterreich hat, seit der Errichtung einer Klingen-Fabrik in der Steyermark, die Sohlinger Klingen für Contrebande [mte: Wirtschaftsgüter, die besonderen Ein- und Ausfuhrbestimmungen und in Kriegszeiten einem Handelsverbot unterliegen. Schmuggelware] erklärt; Frankreich läßt von denselben, um den Absatz der Elsaßer Fabrik zu erleichtern, einen Impost [mte: Waren- bzw. Grundsteuer] von 80 Livres p. Centner erheben; den Klingen-Handel nach Preußen hat die Potsdamer Fabrik gleichfals sehr geschwächt; und der nach England und Rußland ist gegenwärtig völlig aufgehoben. Mit den Messern hat es fast in allem eine ähnliche Bewandniß. Diesen von den auswärtigen Fabriken zugeführten und mit dem anwachsenden Flor derselben immer zunehmenden Nachteilen zu begegnen, giebt es kein andres Mittel, als daß die Sohlinger Fabrik den vorzüglichen Ruf, den sie mittelst Verfertigung ausnehmender Waare sich erworben, durch Vervollkommung ihrer Arbeiten immer herschender und glänzender zu machen suche. Es scheint auch dieses dem dortigen Klingenschmieds Handwerk eingeleuchtet zu haben; denn im Jahre 1743 entwarf dasselbe, mit Einstimmung des Obervogts, eine von Seiner Churfurstlichen Durchlaucht genehmigte, zu ewigen Zeiten gelten sollende Meister-, Knecht- und Lehrjungen-Ordnung, deren genaue Befolgung dieser Fabrik nicht anders als vorteilhaft seyn könnte und welche man also mit mehrerer Sorgfalt handhaben sollte, als würklich geschieht. Dieser Verordnung zum Trutz fährt man fort, Leute zu Meistern aufzunehmen, die kaum ein oder zwey Stück Waare in einiger Vollkommenheit zu verfertigen im Stande sind; häuft auf solche Art die Zahl der schlechten Arbeiter und folglich auch die schlechten Waare und untergräbt allgemach die einzige feste Stütze, worauf das Sohlinger Commerzium noch ruht. Aus diesem Gesichts-Punkt scheint mir der im Jahre 1757 für jedes Stück Waare, ohne Rücksicht auf die Güte der Arbeit, bey der Klingen-Fabrik festgesetzt wordene Arbeitslohn sehr schädlich zu seyn. In eine Untersuchung des darüber zwischen der Kaufmannschaft und den Handwerkern entstandenen und noch zur Zeit unentschiedenen Prozesses mich einzulassen, ist eben so weit von meinem Plane als von meinem Zweck entfernt: nur dieses will ich anmerken, daß eine solche Lohnsatzung in die Länge für die hiesige Fabrik die schädlichsten Folgen haben werde. Unter dem geringfügigen, im Grunde ganz schimärischen Vorwande, daß durch dieses unzureichende Mittel den aus der übertriebenen Gewinnsucht gewißer Kaufleute entspringenden übeln Folgen begegnet werde, will man den unermäßlichen Nachteil übersehen, welcher aus einer solchen Lohnsatzung ohnfehlbar entspringen muß; indem dadurch aller Eifer und alle Emulation unter den Handwerksleuten erstickt wird. Der gute Arbeiter, der mit dem schlechten auf einerley Fuß behandelt wird, verliert den Trieb sich hervorzuthun, wird nachlässig, träge, unbiegsam; und so sieht man dann bald seine Kunst, anstatt durch neue Erfindung zu wachsen, unter das Mittelmäßige herabsinken und eines schmähligen Todes sterben. Da zu Sohlingen nicht alle Handwerksleute so viele Arbeit haben, als sie wohl zu verrichten im Stande sind, so würde die Einführung neuer, mit den bereits fabriciert werdenden einige Verwandtschaft habender Artikulen für die dortige Fabrik sehr vortheilhaft seyn. Aber diesem Guten stehen ihre barbarischen, heillose, ungereimte Zunft-Gesetze und Vorurtheile im Wege. So haben sie zum Beyspiel ein Verbot, keine eiserne Waaren zu verfertigen und müssen daher die Bestellungen solcher Artikulen, als eiserne Ladstöcke, Gabeln und dergleichen abweisen. Ueberhaupt ist diese ganze Verfassung dieser Genossenschaft eine unversiegende Quelle von Uebeln, Zerrüttungen und Verderben; wie dann dies allemahl bey geschlossenen Handwerkern, Zünften und was sonst für Nahmen dergleichen Narrentheidungen führen mögen, ganz unvermeidlich ist. Soweit Jacobi zu der Solinger Fabrik (Handwerk) im Jahre 1774. Wieweit er mit seinen Äußerungen Recht hat, mag ich bisher nicht beurteilen. Unser Stadtgeschichtenschreiber hat sich 1977 in seinem zweiten Band (S.146) zu den Ausführungen von Hofkammerrat Jacobi geäußert: Aber nur, wer das Solinger Handwerk nicht in seinem innersten Wesen verstand, konnte von "barbarischen, heillosen und ungereimten Zunft-Gesetzen und Vorurteilen" reden, wie es Jacobi 1773 tat. Er kritisierte, daß es in Solingen verboten sei, eiserne Ladestöcke und Gabeln herzustellen; man lasse sich so manchen Auftrag entgehen. Die Solinger Ladestöcke und Gabeln waren aus Stahl; hier ging es um Qualität. Deshalb überließ man diese Artikel auch nicht den unpriviligierten Fabrikanten. Als Werbung für Solinger Qualitätsarbeit dachte man sich 1757 aus, daß vergoldete oder geätzte Klingen die Aufschrift "Vivat Sohlingen" tragen sollten. Das alte "Me fecit Solingen" hatte einen Nachfolger gefunden. Einen Kommentar muss ich mir bisher ersparen, ich verstehe Rosenthal nicht! Die barbarischen Gedanken äusserte Jacobi übrigends im Jahre 1774.
©2003 Michael Tettinger,
Do. 31.07.2003 - letzte Änderung:
Sa. 02.08.2003
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