Bevor ich mir selber etwas aus den Finger sauge, suchen wir im Internet. Fundsache:
Winkgen, Friedrich: Der Schaltkotten bei Müngsten.
In: Die Heimat (Solingen) N.F. 9 (1993), S. 37-39 : Ill.
Nur ein Literaturhinweis, aber ich habe Zugriff auf "Die Heimat" und so gibt es einen etwas älteren Beitrag mit aktuellen Fotos von mir:
Friedrich Winkgen Der Schaltkotten bei Müngsten
Die Schwerter- und Degenherstellung im Solinger Raum läßt sich bis ins frühe Mittelalter zurückverfolgen und nachweisen. Etwa um 1550 erlangten die Klingen aus Solingen Weltruf. Zwischen den Schmieden im heutigen Solinger Stadtgebiet und den Schleifstellen an der Wupper, die etwa eine Wegstunde auseinander lagen, entwickelte sich eine durchgreifende Arbeitsteilung, die dazu führte, daß sich die schwere Schleifarbeit an Degen und Schwertern vom einfachen Handwerk bis hin zur regelrechten Kunstfertigkeit verbesserte.
Einer der ehemals zahlreichen großen Wupperkotten ist der Schaltkotten bei Müngsten, der zwischen 1572 und 1574 erbaut wurde. Die Wasserzuführung erfolgte durch den in den sandigen Gleithang der Wupperbiegung ausgehobenen Obergraben, der ursprünglich etwa 100 Meter oberhalb des Kottengeländes begann und durch ein quer zur Wupper gebautes Wehr mit Wasser gefüllt wurde. Der lange Obergraben ist heute nicht mehr vorhanden.
Die wasserbauliche Technik war im wesentlichen die gleiche wie heute: Der Obergraben konnte mit einer Sperrschleuse, dem sogenannten Gewaltschütt, geöffnet oder geschlossen werden, um je nach Wasserstand die geeignete Menge Wasser aufzunehmen bzw. den Obergraben für Instandsetzungsarbeiten trockenzulegen. Zusätzlich war (und ist noch heute) seitlich des Grabens ein sogenanntes Flutschütt angebracht, durch das angesammelter Schlamm und Unrat - im Winter Eis - weggeschwemmt wird.
Der Name des Schaltkottens rührt wohl von dem mittelhochdeutschen "scaltam" (= stoßen) her. Die Schleifer konnten mittels einer Stange ein Schleusenbrett (Flutschütt) kurz vor dem Wasserrad auf- und zustoßen und so die Menge des gerade zur Arbeit erforderlichen Wassers feinregulieren. Wie dies funktioniert, kann man heute noch am Clemenshammer im Gelpetal beobachten. Solche Feinregulierung ermöglichte sparsamsten Wassereinsatz.
Der Name "Schalte" ist auch für einen flachen Fährkahn gebräuchlich, der mit einer Stange über einen Fluß gestoßen wird. Über die Schleifer wurde gelegentlich gesagt: "He schlippt an der Schault."
Die Begriffe "Kotten" oder "Schleifkotten" tauchten erstmals in einem Heberegister des Hauses Nesselrath aus dem Jahre 1605 auf. Zuvor waren die Namen "Mühle" oder "Schleifmühle" gebräuchlich. [Anmerkung:Hier irrt Herr Winkgen.]
"Müngsten" leitet sich wohl von "Am Mündungsstein" oder "Mundstein" her und meint die Mündung des Morsbaches, der 400 Meter oberhalb des Schaltkottens an einem hohen, glatten Felsen in die Wupper mündet. Ähnliche Herleitungen findet man in den Namen "Angermund" oder "Roermond".
Müngsten war über Jahrhunderte ein Ort der Stahlbe- und -verarbeitung. Neben Solinger Schmieden arbeiteten hier auch die Vorfahren der Familie Krupp von Bohlen und Halbach. Johann Arnold und Gustav Halbach stellten hier Raffinierstahl und Blausensen her. Sie bauten im Jahre 1803 die erste Holzbrücke über die Wupper bei Müngsten, deren Wegverlängerung über Grunenburg, Eulswaag, dem heutigen Halfeshof, und Meigen nach Solingen und in entgegengesetzter Richtung über die Wendung nach Remscheid führte. Vor dem Brückenbau erfolgte die Verbindung zwischen Solingen und Remscheid über Hohlwege und eine Wupperfurt etwa 250 Meter oberhalb des Schaltkottens, bzw. mittels einer Fähre (Schalde) an gleicher Stelle. Die Hohlwege sind sowohl auf Remscheider wie auf Solinger Seite noch heute gut zu erkennen.
Die Geschichte des Schaltkottens als Schleifstelle endete im Jahre 1967, als die Schleiferei dort eingestellt wurde. Die letzte Besitzerin, die Eigentümergemeinschaft Gebr. Pinell, hatte den Kotten 1882 erworben und nach einem Brand um die Jahrhundertwende den ehemaligen Doppelkotten in der jetzigen Ziegelbauweise wiedererrichtet. Bis 1967 waren im Schaltkotten zwei Rutschen zum Schleifen von Gatter- und Bauchsägen, drei Scheiben zum Pliesten von Kreissägen, zwei Rutschen zum Schleifen von Kreissägen, zwei Rutschen zum Pliesten, zwei lose Schleifsteine für Häckselmesser, Kreismesser und Hauer sowie zwei Plieststellen für Bügelsägen in Betrieb. An der Art der technischen Ausstattung und an den bearbeiteten Produkten ist leicht zu erkennen, daß hier Remscheider Erzeugnisse bearbeitet wurden.
1967 erwarb Klaus Triesch, ein Angehöriger der Familie Pinell, den Schaltkotten, räumte alle Schleifstellen aus, stellte Spindel-Drehautomaten auf und richtete eine Schraubenfabrikation ein.
Nach dem Tode von Klaus Triesch erwarb 1986 der Sägewerksbesitzer Kurt Winkler aus Amberg den Kotten. Er errichtete an alter Stelle ein neues Stauwehr aus Beton, baute ein neues Gewaltschütt und setzte mittels der Turbine den bereits von Klaus Triesch installierten Generator wieder in Betrieb. Der im Kotten erzeugte Strom wird in das Netz des Rheinisch- Westfälischen Elektrizitätswerkes eingespeist.
Die Halle des Kottens ist vermietet und wird zu gewerblichen Zwecken genutzt.
Quellen und Literatur
Mündliche Auskünfte von Hugo
Pinell, Angelika Mahler geb. Triesch, Kurt Winkler und den
Katasterämtern Solingen und Remscheid.
Berdrow, W., Die Familie
von Bohlen und Halbach, Essen 1921.
Engels, W., Mittelalterliche
Verkehrswege und neuzeitlicher Straßenbau im Remscheider
Gebiet und seiner weiteren Umgebung, Remscheid 1939.
Hendrichs, F.,
Die Schleifkotten an der Wupper, Köln 1921.
Rosenthal, H.,
Solingen, Geschichte einer Stadt, Bd. l, Duisburg 1969.
Am 16. Dezember 1573 genehmigte Herzog Wilhelm der Reiche von Jülich und Berg neben 8 weiteren Kotten die Errichtung folgender Bauwerke:[AuSB1,1959,S97]
Bei Heinrich Kelleter, Geschichte der Familie J.A.Henckels, Beilagen XXIV heißt es:
Im Wassertriebwerksverzeichnis der Bürgermeisterei Dorp aus dem Jahre 1853 (Herbert Weber, 42 Wassertriebwerke in der Bürgermeisterei Dorp, in: Die Heimat, Juni 1970, Jg.36,Nr.6, S.21) lese ich folgende Angaben:
Vorderer Schaltkotten, Konzession vom Herzog von Jülich, Cleve und Berg vom 16. Dezember 1543, Schlacht vorhanden.
Hinterer Schaltkotten, Besitzer Nath. Lauterjung, Wilh. Grah,
C. R. Lauterjung, Js. Aug. Lauterjung, Abr. Aschäuer; Schlacht vorhanden.
Bei der Jahreszahl 1543 dürfte es sich um einen Tipp-Fehler handeln, gemeint ist sicherlich 1573. [AuSB1,S97]
In Die Heimat, März 1973 (Jg.39,Nr.3), S.12, steht unter einem Foto:
»IM SCHALTKOTTEN bei Müngsten, einem einstöckigen Ziegelbau, wird noch gearbeitet. Auch hier befand sich früher einmal eine Doppelkottenanlage. Der Innenkotten brannte am 1. August 1893 ab und wurde nicht wieder errichtet.«
Keine Quellenangabe, keine Autornennung (vermutlich H.W.) Auf dem oben abgebildeten Foto aus der Bauzeit der Kaiser Wilhelm Brücke kann man den Innenkotten noch sehr gut erkennen (links neben dem Außenkotten).
Was sagt unsere Tageszeitung (Solinger Tageblatt) zu diesem Kotten am 15. August 1998?
»Dieser Kotten unweit der Müngstener Brücke wird bereits 1574 erwähnt. Der Innenkotten brannte am 1. August 1893 nieder. Mittels einer Turbinenanlage wird im Außenkotten, einem einstöckigen Ziegelbau, schon seit den dreiziger Jahren Strom erzeugt. Die Anlage wurde inzwischen auf den neuesten technischen Stand gebracht.«
Leider gibt der Autor keine Quellen an.
F. Winkgen irrt, dass 1605 erstmals der Begriff Kotten bzw. Schleifkotten auftaucht. Im Härter- und Schleifer-Privileg vom 26.1.1401 wird die Werkstätte des Schleifers mit Kotten bezeichnet, in der Erneuerung des Privilegs vom 20.10.1515 ist im Zusatz von "schlipfkotten mit iren waßerschleusen, demmen und quellen" die Rede.
[ X | 1922 | Open Doors | Sage | Schault ]
©2001-2005 Michael Tettinger,
So. 26.08.2001, letzte Änderung: Fr. 14.10.2005 |