Schleifkotten an der Wupper - Auer Mühle

Einleitung

Lassen wir direkt Franz Hendrichs zu Worte kommen. Denken Sie bitte daran, der Text erschien 1922:

Foto: Blick auf die Picardsaue (Juli 2002, Standort Brücke L74, Blickrichtung Norden)
Blick auf die Picardsaue (Juli 2002, Standort Brücke L74, Blickrichtung Norden)

»Wenn wir uns anschicken, die noch oberhalb Kohlfurt liegenden Wupperkotten aufzusuchen, so kommen wir zu unserem Schlußabschnitt. Denn während die Wupper bisher einen Haken um Solingen schlug, und wir daher auf unserem Wege immer gleich nahe der Stadt Solingen waren, so entfernen wir uns bei weiterem Aufwärtswandern mit jedem Schritt von Solingen.

Lageplan: Die Wupper von Kohlfurt bis zum Dritten Kotten
Abb. 38: Die Wupper von Kohlfurt bis zum Dritten Kotten

Lageplan: Auermühle
Abb. 38: Ausschnittsvergrößerung, Auermühle

Der Lageplan 38 zeigt die Kottenanlagen dieses letzten Abschnittes, wie sie etwa vor fünfzig Jahren aufgenommen worden sind. Heute ist hiervon, wie wir sehen werden, nur noch ein kleiner Teil vorhanden und in Betrieb.

Zeichnung von Artur Uellendall (1922), Auermühle
Abb. 39: Auermühle - Aussenkotten

Bei der Auermühle, dem "ersten Kotten in der Aue", finden wir noch den Außenkotten (Abb. 39) in Tätigkeit, während die Stätten des früheren Innenkottens und der unmittelbar daneben betriebenen Mahlmühle durch Trümmerhaufen gekennzeichnet sind. Ploennies führt 1715 den Auerkotten als Einfachkotten auf. Die Mahlmühle dürfte im 18. Jahrhundert und der Innenkotten erst im 19. Jahrhundert errichtet worden sein. Denn wie aus Schriftsätzen des Staatsarchivs zu Düsseldorf hervorgeht, bestand 1809 bereits die Mahlmühle, während nur von einem Schleifkotten die Rede ist. Im übrigen ist das im Anhang No. 12 wiedergegebene Schriftstück ein Beleg für das in der Einführung erwähnte, den privilegierten Schleifermeistern zustehende Recht der bevorzugten Aneignung durch Kauf oder Miete von Wohnung, Werkstätten, zumal Schleifkotten und dazu geeigneter Plätze. Man nannte dieses Recht der privilegierten gegenüber den nicht privilegierten Kaufleuten und Handwerksgenossen das "Vernäherungs- oder Einstandsrecht".

In den Anträgen aus dem Jahre 1851, die sich auf bauliche Veränderungen der Kotten, z.B. auf Vergrößerung der Raddurchmesser einschl. der Schaufeln auf 14,02' beziehen, werden als Inhaber des Innenkottens Jonathan Picard, des Außenkottens Gebr. Clauberg zur Hälfte, Nathanael Grah und W. Everts mit je einem Viertel Anteil, sowie endlich die Mühle Carl Picard, aufgeführt. Es folgen in den nächsten Jahrzehnten mancherlei Streitigkeiten, die sich, wie so häufig, auf das eigenmächtige Vorgehen der Kotteneigentümer auf Erhöhung des Sommerstau beziehen. Der Innenkotten wurde im Jahr 1898 abgebrochen, kurz darauf auch die Mahlmühle. Der übrig gebliebene Außenkotten diente eine zeitlang fast ausschließlich zum Schleifen von Schafscheren. Er wird nach dem jetzigen Inhaber, der darin Schustermesser herstellt, vielfach "Picards Kotten" genannt.«
Franz Hendrichs, Die Schleifkotten an der Wupper, Köln 1922, Seite 82ff.

Soweit Hendrichs..... Wie er auf das Jahr 1851 kommt, weiß ich bisher nicht. Eine öffentliche Bekanntmachung aus dem Jahre 1852 fand ich im Öffentlichen Anzeiger, Nr.79, Düsseldorf, ... August 1852:

907. Bekanntmachung [1375. Erbauung eines Schleifkottens]
Die Schleifer Gebrüder Ferdinand & Carl Clauberg, Nathanael Grah und Wilhelm Everts, sowie die Schleifer Jonathan Picard und der Müller Carl Picard sind Willens, an ihren an dem Wupperfluße zu Aue hiesiger Bürgermeisterei gelegenen Wasserwerken nachbenannte Veränderungen vorzunehmen.

Die erstgenannten 4 Besitzer beabsichtigen nämlich ihren alten Schleifkotten abzubrechen, und an dessen Stelle einen neuen Kotten von circa 50 Fuß lang und 30 Fuß breit aufzubauen, das ganze Triebwerk darin zu erneuern, den Untergraben um etwa 1 Fuß gemeinschaftlich mit dem Jonathan Picard zu vertiefen und 2 Fuß zu erweitern und das neue Wasserrad gegen das alte um 1 Fuß zu vergrößern. Die Wasseröffnung ober diesem, und dem von dem Jonathan Picard an dessen Schleifkotten ebenfalls zu erneuernden und um 1 Fuß zu vergrößernden Wasserrade, welche bei jedem jetzt 3,17 Fuß weit ist, soll zur Weite von 4 Fuß ausgedehnt, jedoch der Fachbaum bei beiden Rädern nicht verändert werden. Endlich beabsichtigt der Müller Carl Picard den Untergraben an seiner Fruchtmühle um 1 Fuß zu vertiefen, die Wasseröffnung oberhalb dem Rade, welche jetzt 3,87 Fuß weit ist, zur Weite von 4 Fuß auszudehnen, und den Fachbaum um 0,42 Fuß tiefer zu legen. Die Stauhöhe oberhalb der erwähnten sämmtlichen Wasserwerke, verbleibt in ihrem bisherigen festen Bestande.

Höhern Auftrags zufolge, wird dieses Vorhaben nach Vorschrift des §. 29. der Gewerbeordnung vom 17. Januar 1845 zur öffentlichen Kenntniß gebracht, mit dem Bemerken, daß etwaige Einwendungen hiergegen, bei dem Unterzeichneten, bei welchem die betreffenden Situations- und Nivellements-Karten zur Einsicht offen liegen, binnen 4 Wochen anzumelden sind.

Gräfrath, den 10. August 1852.  Der Bürgermeister: Uesseler

Der Geschichtsschreiber unserer lokalen Tageszeitung tippte 1998 folgende Zeilen in den Redaktionscomputer:

»Die Anlage in der Picards Aue wurde auch „Erster Kotten“ genannt, damit die drei Kotten auf Gräfrather Gebiet bezeichnend. Um 1900 wurden hier noch zwei Schleifkotten und eine Mahlmühle betrieben. Eine solche wurde bereits 1669 genannt, ein Kotten 1715 (Ploennies). Jonathan Picard war 1845 Besitzer des Kottens, den er dann erneuerte. Er brannte 1933 nieder und wurde nochmals wiedererrichtet. Der Innenkotten war 1898 abgebrochen worden, die Mühle um die gleiche Zeit.«

Diesen Artikel habe ich nur vollständigkeitshalber zitiert. Einen Kommentar spare ich mir vorerst, ich verstehe den Autor nicht. 1898 niedergelegt, um 1900 noch in Betrieb?????

Anhang Nummer 12:
Peter Markus zu Gräfrath gegen Schleifer Gebr. Linder betr. Näherrecht auf dem Schleifkotten in der Aue 1811.

»Auf Ersehen des Verhandelten zur Sache der Gebrüder Abraham und Isaac Linder, Cläger, gegen die Gebrüder Everz und Peter Marcus, Beklagte, wird hiermit für Recht erkannt, dass die am 16. Dezember 1809 von den Klägern eingeleitete Einstandsklage, durch die neueren Gesetze als vernichtet nicht zu halten, die Cläger im Gegentheil mit Beseitigung des denselben von dem Beklagten Peter Marcus vorgeworfenen nicht erwiesenen arglistigen Verfahrens zum Einstand in den den Gebrüdern Everz und Peter Marcus um Simon Judä 1809 zustande gekommenen Kauf und Verkauf eines in der Aue gelegenen Schleifkottens zu belassen und der Beklagte Peter Marcus unter den von N.Act. 1-3 einschliesslich den Clägern zu Last zu legen den Costen in sämtliche Prozesskosten zu verurtheilen seyn. Es sei denn, dass derselbe seine Einrede, dass die Einstandsklage nur auf den Nahmen der Kläger und nicht zum Behuf (Zweck) derselben, sondern zum Vortheil des Peter Tesche eingeleitet worden und dass dieser Peter Tesche der eigentliche versteckte Ankäufer des fraglichen Schleifkottens sey, besser als bisher geschehen, ... bewiesen würde.«

Schreiben des Peter Marcus an den Grossherzoglichen Hofrat am 26. Jan. 1811.

»Das unter Ziffer 1 hier angefallene Urteil, welches von dem Verwalter des Amts Solingen tit. Krey in der Eigenschaft als ehemaligen Obervogtsverwalter und Richter in Handwerkssachen der weiland privilegierten Klingen- und Messerfabrikanten am 28. Dez. v.J. erlassen und eröffnet worden ist, beschwert mich sehr, weil es die Gegner zu dem aus den aufgehobenen Handwerksprivilegien hergeflossenen Einstands- oder Näherecht eines von mir den Gebrüdern Everz abgekauften Schleifkotten zulässt und die verschiedene der gegentheiligen Einstandsklage von mir entgegen gestellte peremtorische Einreden für unzulänglich erklärt, ja sogar noch eventualiter mich in alle aufgegangene Kosten verurteilt.«

Peter Marcus legt, weil ihm am Besitz des für 600 Reichs-Taler angekauften Schleifkottens viel gelegen sei, besonders, weil er schon eine dabei gelegene Wassermühle besitze, Berufung ein.

Am 28. Januar 1811 wird der Verwalter des Amtes Solingen von dem Hofrat um Einsendung der bisherigen Verhandlungsschriften ersucht.

Nicht nur Franz Hendrichs beschäftigte sich mit der Auermühle, ein paar Jahre später (1929) schrieb ein Herr Dinger ebenfalls ein paar Zeilen zur Geschichte des Auer-Kottens. 1960 erinnert Otto Bauerman an wehrhafte Müller.

Foto: Auer Mühle um 1930
Außenkotten an der Auer Mühle um 1930. Quelle: Stadtarchiv Solingen
Foto: unterschlächtiges Wasserrad
Unterschlächtiges Wasserrad am Außenkotten der Auer Mühle. Quelle: Historisches Zentrum Wuppertal
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©2002–2007 Michael Tettinger, Fr. 05.07.2002, letzte Änderung: Fr. 15.06.2007
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