Solingen: Kotten - Schleifsteine

Die Frage: Woher kamen die Schleifsteine, die in den Solinger Kotten benutzt wurden?
Fundsachen im Internet und in Drucksachen :..

Schleifsteinlager

»Am Bahnhof Weyersberg unterhielt Carl Eickhorn ein großes Schleifsteinlager. Er hatte als Heimarbeiter Blankwaffen hergestellt und machte sich 1865 als Schleifsteinhändler selbständig. Zehn Jahre später gründete er die bekannte Blankwaffenfabrik an der Brühler Straße. Sie ging 1976 in Konkurs.

Foto: Schleifsteinlager der Firma Samuel Lauterjung, Lüneschloßstraße um 1930
Schleifsteinlager der Firma Samuel Lauterjung, Lüneschloßstraße (um 1930)

Die Solinger Schleifer benötigten Anfang des 19. Jahrhunderts jährlich zwischen 200 und 300 Schleifsteine. Der Hitdorfer Hafen war Lagerplatz für die in Solingen benötigten Schleifsteine. Sie wurden in der Eifel gewonnen und über die Mosel nach Hitdorf verschifft. Hochwertigere Schleifsteine, die sich zur Bearbeitung feiner Schneidwaren eigneten, bezogen die Solinger Schleifer aus England. Die Steine wurden mit Pferdekarren nach Solingen transportiert. Den Verkauf organisierten Solinger Händler. Einer der Händler war Carl Eickhorn.

Hitdorf war bis Mitte des 19. Jahrhunderts der Hauptumschlagplatz für Schneidwaren, die nach Frankreich, Holland und nach Übersee exportiert wurden. Die in Fässern verpackte Ware wurde hier auf Schiffe verladen, die sie zunächst nach Köln brachten.«

Quelle: www.bergisches-staedtedreieck.de
bzw: Wanderführer Transport und Verkehr in Solingen (Teil 1), Rheinisches Industriemuseum Gesenkschmiede Hendrichs, Solingen 1997.

Foto: Schleifsteinlager

Bahnhof Weyersberg?
Im September 1867 wurde dieser Kopfbahnhof eröffnet. Der "Solinger Hauptbahnhof" wurde erst 1890 eingeweiht, damals noch unter dem Namen Solingen-Süd. Die Lüneschloßstraße und damit auch das Schleifsteinlager der Firma Samuel Lauterjung (erstes Bild) liegen am Hauptbahnhof.

Anfang des 19. Jahrhunderts 200-300 Schleifsteine ...
1773 war es nicht anders!
(Wink mit dem Zaunpfahl bzw. der Quelle:-)

1773 :_: Lagebericht

Im Jahre 1773 musste der Hofkammerrat Friedrich Jacobi (1743-1819) seinem Landesfürsten Karl Theodor einen Bericht zum Handelszustand des Herzogtums Berg abgeben. Neben Verbesserungsvorschlägen für die Verkehrswege unterrichtete sich der Hofkammerrat auch über die Handelsgüter, die den Weg von Hitdorf ins Bergische nahmen. Von Solingen weiß er zu berichten, dass dort jährlich 200 bis 300 Schleif- und Höhlsteine, im Durchschnitt also 250 Stück jeder Sorte, gebraucht wurden. Solinger Kaufleute kauften sie an der Mosel ein, brachten sie zu Wasser bis Hitdorf, wo sie das Stück zum Mittelpreis von 12 Talern absetzten. Der jährliche Geldwert für Schleifsteine belief sich auf 3000 Taler.

Für den Transport vom Hafen bis nach Solingen berechneten die Fuhrleute pro Stück 8 Rchtlr., so dass damit eine Einnahme von 2000 Talern gewährleistet war, die bergischen Einwohnern zugute kam. Über die Solinger Erzeignisse, die über Hitdorf per Schiff ihren Weg zu den Frankfurter und Leipziger Messen und weiter nach Italien, Frankreich und Holland nahmen, stellt Jacobi leider keine Berechnungen auf, wohl aber läßt er uns wissen, dass die Waren, in Fässern oder Kisten verpackt, versandt wurden.

Quelle: Hinrichs, Fritz: Hitdorf am Rhein, Chronik eines bergischen Hafens. Hitdorf, Monheim 1957, Seite 32. Herausgegeben anläßlich des 100jährigen Stadtjubiläums.

Was Hinrichs hier zu Jacobi, Solingen und den Schleifsteinen schreibt, könnte wieder ein neues Kapitel in dem Buch 'Die jungen Leiden der Solinger Geschichtsschreibung' ergeben. 1774! hat Jacobi in Solingen die Degenklingen- und Messerherstellung genauer unter seine Lupe genommen und die Ergebnisse beschrieben, und eben genau diese Erzeugnisse wurden in Kisten und Fässer verpackt. Ob die bei Hinrichs beschriebenen Vertriebswege so bei Jacobi wiederzufinden sind, davon können Sie sich selber ein Bild machen; mehr zum Thema Hofkammerrat Friedrich Heinrich Jacobi.

Und noch einen interessanten Aspekt bietet Hinrichs: Die Schiffer von Hitdorf hatten bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts das alleinige Recht auf die Schiffahrt nach Köln. Nur wenn sich die Kölner besonders mit ihnen vertrugen, durften sie für Hitdorf laden oder umgekehrt dort Fracht für Köln aufnehmen, widrigenfalls wurden die Schiffe und Güter durch Schöffen arrestiert.

Wer sich die Mühe macht, die Quellen freizulegen, die Wesentliches von der Hitdorfer Schiffahrt zu erzählen wissen, der stellt fest, dass dieselben fast alle schon von Professor Bruno Kuske, Köln, ausgewertet wurden. Die sich auf Hitdorf und andere bergische Rheinorte beziehenden Urkunden und Akten sind von ihm in der Arbeit: "Die Rheinschiffahrt zwischen Köln und Düsseldorf vom 17. bis 19. Jahrhundert" eingesehen und verwertet worden. Seine gewonnenen Erkenntnisse faßt er wie folgt zusammen: "Für den Verkehr mit Köln kommen auf der Stromstrecke Köln-Düsseldorf außer der letztgenannten Stadt und außer Neuß und Mülheim a. Rh., besonders die kleinen Orte des Bergischen Landes in Betracht: Stammheim, Wiesdorf, Rheindorf und Hitdorf, unter ihnen am meisten die letzten beiden."

Quelle: Bruno Kuske, Die Rheinschiffahrt zwischen Köln und Düsseldorf vom 17. bis 19. Jahrhundert [in:] Beiträge zur Geschichte des Niederrheins. Zeitschrift des Düsseldorfer Geschichtsvereins 20, 1906.

Prof. Dr. Bruno Kuske (1876-1964) bekleidete den ersten Lehrstuhl für Wirtschaftsgeschichte (1912 hauptamtliche Dozentur, 1917 Ordinarius der Handelshochschule, 1919 Universität Köln) und war von 1920 bis 1933 Leiter des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs in Köln.

Lithographie

Lager des Sandsteinbruch-Betriebes und Schleifstein-Geschäfts Carl Eickhorn (Lithographie von Walter Stöpfgeshoff aus dem Solinger Adressbuch des Jahres 1901).

Postkarte: Solingen Panorama
Blick auf den Bahnhof Weyersberg von der Wilhelmshöhe aus (Blick in östliche Richtung, um 1920)
Nr.10 - 95362
Postkartendetail
Schleifsteinlager am Weyersberg. Heute steht dort u.a. die Schwimmhalle

Ein weiterer Lieferant, der auch Solinger Kotten mit Schleifsteinen versorgte, war die 1898 in Remscheid gegründete Firma Carl Picard. Dieses Familienunternehmen existiert noch heute und wer unbedingt einen Schleifstein zur Bereicherung des heimischen Gartens benötigt, der sollte dort nachfragen und nicht auf heimliche Raubtour gehen.

Foto: Schleifsteinlager der Firma Carl Picard
Schleifsteinlager der Firma Carl Picard

Ein Einsatzort der großen Schleifsteine ..

das Foto zeigt einen Solinger Schleifer am großen Stein
Schleifer mit Ortsspohn (Schleifholz - Ortspoon, Oortspoon, Ohrtspohn - Viertelspan/stab) am großen Stein

.. und für die Ewigkeit war der schleifende Sandstein auch nicht gefertig. Innerhalb weniger Wochen der intensiven Nutzung schrumpfte der Stein auf einen nicht mehr direkt brauchbaren Durchmesser. Als 'Abfallprodukt' ist er noch heute an vielen Stellen präsent.

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©2001-2005 Michael Tettinger, Sa. 11.08.2001 - letzte Änderung: Sa. 02.04.2005