Brand im Untenrüdener Kotten
Aus einem alten Zeitungsbericht, der am 30.4.1952 im Solinger
Tageblatt erschienen ist, leider ohne Angabe des Autors,
von Quellenangaben ganz zu schweigen. Ein Märchen?
Vor 60 Jahren
brannte der Untenrüdener Kotten ab
Es war in den frühen Morgenstunden des 30. April 1892 [ein Samstag], als in
den Ortschaften der Wupperberge die Brandhörner ertönten.
Lodernde Flammen zeigten den Bewohnern des Widderter Bergrückens
und seiner Umgebung, dass der Untenrüdener Kotten in Brand geraten
war. Trotz sofortiger Löschversuche gelang es nicht, von dem
Doppelkotten das Geringste zu retten.
Das Gebäude brannte bis auf
den Grund nieder, und mancher Schleifer verlor seine sämtlichen
Arbeitsgerätschaften. Ferner fielen zahlreiche schwarze [Rohware] und
halbfertige Stahlwaren den Flammen zum Opfer.
Vorerst kümmerte sich keiner um die abgebrannte
Arbeitsstätte. Erst 13 Jahre später [==1905,mte] entschlossen
sich die Schleifer Kirchhoff und Witte,
einen Teil des Kottens wieder
aufzubauen. Selbstverständlich wurde die Anlage nach neuzeitlicher
Art ausgeführt. Hohe, luftige Räume entstanden; der
Untenrüdener Kotten wurde der schönste an der Wupper. Leider
waren die Wasserverhältnisse nicht sehr rosig. Bei starkem Wasser
musste der Kotten den Betrieb einstellen. So entschloss man sich
später, neben der Wasserkraft noch einen elektrischen Betrieb
anzulegen, so dass nunmehr keine Feierstunden mehr eingelegt werden
müssen. Drehte sich das Wasserrad nicht, dann wurde auf
Elektrizität umgeschaltet.
Seit einigen Jahren wird der Kotten nur durch Elektrizität
betrieben, das Wasserrad steht still. Wenn auch inzwischen 60 Jahre seit
dem Brande vergangen sind, die alten Schleifer haben die Katastrophe
nicht vergessen. Auch "die Krim", ein besonderer Teil des
alten Kottens, wird von den Alten noch oft erwähnt.
So der Inhalt des Beitrages. Was mag "die Krim" gewesen sein?
Wie ist der Begriff Doppelkotten hier zu verstehen? In der uns bekannten
Weise, zwei Gebäude mit je einem eigenen Wasserrad? Der Autor
schreibt nur von einem Gebäude. Absicht oder Nachlässigkeit?
Da ich so langsam jeden Beitrag anzweifele, habe ich mir einmal
die Mühe gemacht und in alten Zeitungen geblättert. Die
passende Brandnotiz fand ich im Solinger Kreis-Intelligenzblatt in der Ausgabe vom 4. Mai 1892:
x Höhscheid, 3 Mai.
Am Samstag in aller Morgenfrühe ist der Unten-Rüdener
Schleifkotten, der sogenannte "Neue Kotten" total
niedergebrannt. Das Feuer wurde zwischen 4 und 5 Uhr Morgens
wahrgenommen und griff so schnell um sich, daß bald das ganze
Gebäude in Flammen stand und nach verhältnismäßig
kurzer Zeit vollständig in Trümmern lag. Jetzt sieht man von
dem Kotten blos noch das ebenfalls theilweise verbrannte große
Wasserrad, sonst ist nichts weiter mehr vorhanden, die Trümmer sind
theils in die Wupper, theils in den Untergraben gestürzt. Das
Gebäude - sieben Eigenthümern zugehörig - war ebenso wie
die Geräthschaften etc. versichert, es gelang, letztere fast alle
zu retten, ebenso die unfertigen, in Verarbeitung befindlichen Waaren
etc., nur in 2 Fällen ist die Rettung der Sachen nicht gelungen.
Während des Feuers sprangen auch alle Steine, selbst die
allergrößten, 7füßigen, in Stücke. Der
Untenrüdener Kotten war einer der älteren Wupperkotten und
erinnerte mit seiner Einrichtung etc. noch lebhaft an die "gute,
alte Zeit."
Noch Fragen? Ist das Glas nun halb leer oder halb voll?
Jedenfalls scheint das Branddatum zu stimmen.
Neben Bränden, nervenden Reportern, Hoch- und Niedrigwasser gab
es noch andere Widrigkeiten mit denen die Schleifer kämpfen
mußten, wie eine Notiz zeigt, die aus derselben Zeitung (1892) stammt.
- In einer hiesigen Schleiferei [in Solingen] zersprang gestern ein
mittelgroßer Stein, während der Schleifer an demselben
arbeitete. Trotzdem ging der Unfall ohne Beschädigung des Mannes
von Statten, da der Schutzbock alle Trümmer auffing. Nur ein
Sprengstück nahm seinen Weg durch ein Fenster, in dem es eine
Scheibe zertrümmerte.
Zurück zu unserem Kotten.
3 Jahre vor dem Brandunglück besuchte im Sommer 1889 ein Steuerinspektor den
Kotten, vermaß Wehr und Wasserrad. Abschließend trug er seine Ergebnisse
in ein Verzeichnis ein:
Neurüdenerkotten
Schleiferei von Nathan. Witte Erben
1 unterschläg. Wasserrad, Durchmesser 3,73 m
Schaufeln 3,67 m lang, 0,32 m hoch
Umdrehungen 14 pro Minute, Arbeitszeit 12 Stunden
Wehrhöhe im Wupperfluss: 70,32 / 69,20 m (Diff=1,12 m)
Höhe der Radachse: 70,91 m
Höhe im Obergraben: 69,30 m
Höhe im Untergraben: 68,43 m (Diff=0,87 m)
Doppelkotten abgebrannt? Mit Sicherheit nicht! Ein Rad, ein Gebäude,
ein Kotten, jedenfalls nach unserer heutigen Definition.
Auf Wunsch eines einzelnen Lesers folgen ein paar Fotos: