Schleifkotten an der Wupper - Untenfriedrichstaler Kotten

200 Jahre Unten-Friedrichstaler Kotten

Ein Stück bergische Heimatgeschichte

Foto: Zeitungsnotiz, Solinger Tageblatt vom 22.11.1941 So die Überschrift im Solinger Tageblatt vom 22.11.1941, leider fehlt der Name des Autors. Lesen wir doch ersteinmal den Text:

»Als sich das große Rad des Unten-Friedrichstaler Kotten vor einer Reihe von Jahren zum letztenmal drehte, wurde im mittleren Wuppertal ein Stück bergische Heimatgeschichte zu Grabe getragen. Generationen von Wupperschleifern hatten hier ihre Tätigkeit ausgeübt. Sie sahen gute und schlechte Zeiten, erlebten manche Stürme und gewannen auf der anderen Seite auch den Freuden des Lebens den richtigen Geschmack ab. Die letzten von ihnen werden mit einem Gefühl von Wehmut von ihrer Arbeitsstätte, die für sie ja gleichzeitig ein Stück Heimat bedeutete, geschieden sein.

Der Unten-Friedrichstaler Kotten wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts von Georg Ern erbaut und dürfte heute rund 200 Jahre alt sein. Die Nachkommen von Ern leben heute noch in Friedrichstal und sind als Eigentümer an dem Gebäude beteiligt. Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts (1800) traten Angehörige der Familie Melchior als Miteigentümer ein und erweiterten im Laufe der Zeit ihre Besitzrechte. Sie waren ursprünglich Schwertschleifer, stellten sich aber allmählich auf Fabrikation um und beschäftigten eine größere Anzahl von Arbeitern. Auf der linken Seite des Wasserrades legten sie ein Hammerwerk an, und so kam man den Unten-Friedrichstaler Kotten als Vorläufer der heutigen Schlägereien ansehen. Allerdings verfiel das erwähnte Hammerwerk bereits nach mehreren Jahrzehnten dem Verfall. Um bessere Verkehrsmöglichkeiten zu schaffen, ließen die Gebrüder Melchior im Jahre 1862 eine Brücke über die Wupper bauen. Diese wurde aber bei dem großen Hochwasser des Jahres 1890 teilweise weggerissen und der schwere Eisgang im darauffolgenden Winter 1891 nahm nicht nur den Rest der Brücke, sondern auch die des Hammerwerkes mit. Stehen blieben lediglich die Brückenköpfe. 1936 stürzte einer von ihnen in den Abflußgraben und sorgte dafür, daß der Betrieb vollständig lahmgelegt wurde.

Wie in manchen anderen Wupperkotten, so war man auch in Unten-Friedrichstal nicht für technische Neuerungen zu haben. So wurden noch die alten Schleifachsen benutzt, wie sie vor mehr als hundert Jahren in Gebrauch waren. Eine von ihnen zeigte man anläßlich der großen Düsseldorfer Ausstellung im Jahre 1937 im Rahmen eines alten Schleifkottens, der dort aufgebaut war. (gemeint ist die Reichsausstellung "Schaffendes Volk" mit dem Schirmherren Hermann Göring.) Der Eigentümer der Steinachse, ein alter Wupperschleifer, erhielt dafür eine vollständig neue und moderne mit Kugellager. Es dauerte aber recht lange, bis er sie am Stein angebracht hatte und auf die Frage, wie ihm die neue Achse gefalle, hörte man: "Wenn se minn aul Ahße noch nitt hädden, krägen se die zelewen nitt mieh, ech well van dem neumodischen Gebrassel nix weten." (Wenn sie meine alte Achse nicht schon hätten, würden sie diese bei meinem Leben nicht bekommen, ich will von den neumodischen Sachen nichts wissen!) Ueberhaupt hatten es die alten Kottenschleifer in Unten-Friedrichstal nicht sehr mit gesetzlichen Neuerungen. So wurde zu Anfang dieses Jahrhunderts (1900) die Aufstellung von Schutzböcken bei Schleifsteinen behördlich angeordnet. Da mußte man auch in diesem Kotten die Maßnahme befolgen. Der damalige Besitzer Julius Ern erfand schnell ein Modell, das technisch gut ausgearbeitet war. An anderer Stelle erblickte man aber in diesem Schutzbock eine Verletzung des Urheberrechts und es kam zu jahrelangen Prozessen. Zufällig wurde zur gleichen Zeit auch die Ziegenhaltung neu geregelt und im Wuppertal entstand das Sprichwort: "De Stein on de Hippeböcke maken uß völl Kopterbreeken!" (Die Steine und die Ziegenböcke bereiten uns großes Kopfzerbrechen)

Wie die meisten Wupperkotten wurde auch der Unten-Friedrichstaler häufig von Bränden heimgesucht. Meist konnten diese rechtzeitig entdeckt und gelöscht werden. Zu Anfang des 19. Jahrhundert fand aber der Besitzer, weil er Hilfskräfte, die nebenher landwirtschaftliche Arbeiten verrichteten, auch in der Schleiferei beschäftigte, einen Zettel an der Kottentür, der folgende Worte trug:

"Jongen, schafft de "Weilen" aff,
söß brennt kortöm der Kotten aff!""

Auf diese Warnung hin wurden die nicht bodenständige Knechte zwar sofort entlassen. Trotzdem wurde der Kotten ein Opfer der Flammen, (wurde) aber in seiner heutigen Form wieder aufgebaut. Der letzte Brand von größeren Ausmaßen ereignete sich im Jahre 1878. Er vernichtete etwa ein Viertel des Kottens, daß nicht neu hergestellt wurde. In der Zeit der Erwerbslosigkeit verschwand ein Mieter nach dem anderen, und heute ist die interessante Vergangenheit dieses Schleifkottens nur noch eine Erinnerung geblieben.

Foto: letzte Gefolgschaft Unsere Aufnahme zeigt die letzte Gefolgschaft des Unten-Friedrichstaler Kottens. Wie in den Wupperbergen üblich, waren die Schleifer zum großen Teil Angehörige der altansässigen Geschlechter, davon gehörten nicht weniger als sechs der Familie Hütter, drei der Familie Voß, zwei der Familie Wieden und zwei der Familie Melchior an.

Auf der Treppe: Robert Voß sen. (+), Josef Schmitz, Alfred Hütter, Paul Hütter.

Erste Reihe stehend: Robert Voß jun., Richard Hartkopf, Ferdinand Melchior (+), Otto Melchior, Paul Wieden, Ernst Hütter, Ernst Moll, Robert Hütter.

Zweite Reihe stehend: Richard Voß, Hermann Hütter, Friedrich Wieden, Karl Henckels, Fritz Hütter.«

Soweit der Artikel aus dem Jahre 1941. Was optisch auffällt, der Artikel ist noch in Frakturschrift gesetzt, obwohl die gotische bzw. Frakturschrift nach einem Erlass vom 3. Januar 1941 von den Nationalsozialisten als "Schwabacher Judenlettern" verboten war. (siehe Bundesarchiv Koblenz "NS 6/334" Rundschreiben vom 3.1.1941 Martin Bormann)


©2002-2003 Michael Tettinger, Mi. 09.10.2002, letzte Änderung: Sa. 07.06.2003