Schleifkotten an der Wupper - Obenrüdener Kotten | ||||||||||
WanderbuchWie schon mehrfach an anderer Stelle erwähnt, fand ich in unserem Bücherregal dieses unscheinbare und vergilbte Buch aus dem Jahre 1922. Hier das Kapitel zum Obenrüdener Kotten, ergänzt mit anderen Fundsachen und eigenen Fotos aus dem 21. Jahrhundert. [ Hendrichs, Franz: Die Schleifkotten an der Wupper, Köln 1922, S.45-49 ]
Franz Hendrichs
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»Unmittelbar an der Wupper entlang führt ein Pfad vom Untenrüdener- zum Obenrüdener Kotten, der aus einem in Ziegelbau ausgeführten Außenkotten neuerer Zeit und dem aus mehreren alten Teilen zusammengeführten Innenkotten (Abb.20) besteht. Unmittelbar am Ausgang des Herzbachtales im Hintergrund der sagenumwobene Rüdener Berg, ein gewagter Steg über die Wupper, eine mächtige Linde unmittelbar beim Kotten, bietet das Ganze ein besonders ansprechendes Bild.
Auf uns zu kommt eine Schleifersfrau mit der "Liefermange", in der sie die fertig geschliffenen Klingen den Berg hinan in die Stadt zur Ablieferung und "neue Arbeit", die "schwarzen Klingen", zum Kotten zurück bringt. Auf den Kopf hat sie zunächst ein mit Perlen geschmackvoll besticktes Kissen aufgelegt und trägt darauf mit vielem Geschick und Anstand ein "Jedrach" von Taschenmesserklingen, nach altem Brauch 306 Klingen; davon sind 6 die auf Ausfall berechneten "Zumesser". Dieses vorsorgliche, wenn auch beschwerliche Tragen hat den Vorteil vor jeder anderen Art der Beförderung, dass die fein geschliffenen Klingen sich auf dem Wege nicht reiben und daher ohne Schrammen zur Weiterverarbeitung gelangen können. Der Oberrüdener Kotten heißt im Volksmund auch heute noch "Blaumühle" und zwar, weil dort in früheren Jahrhunderten angebliche Bläue hergestellt worden ist. Dieses alte Gerede hat neuerdings zu verschiedenartigen Deutungen Anlaß gegeben. So glaubt Max Schmidt [hf1] auf der rechten Spur zu sein, wenn er diesen Kotten als eine alte Schmirgelmühle anspricht, in der zwischen harten bläulichen Steinen die groben Schmirgelstücke fein zermahlen worden seien. Hiergegen spricht, daß sich gerade alte Schleifer dieser Gegend noch erinnern, wie Schmirgelstücke nicht zermahlen, sondern wie zur Winterzeit, wenn wegen starken Frostes die Arbeit in den Kotten eingestellt werden mußte, die jungen Leute vielfach im Hause mit dem Zerkleinern des Schmirgels beschäftigt wurden.
Aber auch die anderweitig aufgetauchte Meinung, daß die "Blaumühle" ursprünglich ein Eisenerz-Schmelzofen gewesen sei, der mit Hülfe von durch Wasserkraft angetriebenen Blasebälgen gearbeitet habe und daher Blase-, Blahe- oder Blauofen gewesen sei, ist zu verwerfen. Wenn auch diese Auffassung darin eine Stütze erblicken könnte, daß bei Haus Vorst, also nicht weit wupperabwärts, in der Nähe von Leichlingen, tatsächlich eine derartige Eisenschmelze [hf2] im 17. Jahrhundert kurze Zeit bestanden hat, so ist es doch mehr als unwahrscheinlich, daß sich aus diesem "Blauofen" im Volksmund eine "Blaumühle" ergeben hätte, abgesehen davon, daß damit für die Herstellung der Bläue keinerlei Anhalt geboten wäre. An der Hand der Akten lassen sich aber die Dinge ohne jeden Zwang erklären. In dem mehrfach angezogenen Nesselrather Heberegister vom Jahre 1605 wird mit Bezug auf den Obenrüdener Kotten aufgeführt: "Schleiffer Sebastian Dentz bürger binnen Cölln hat Im Jahr 1599 ds Wasser oben an seiner new gebawten Mühle Im Riden, von der fraw Chammermeister seeligen gepacht off 12 pleibende Jar, soll Järliche gen Nesselradt lifern: 2 R. dhr., 1 Gimber und 2 Honer".
Irreführend ist freilich, daß vor dem Namen noch das Wort "Schleiffer"
steht. Aber nicht nur der Text spricht dafür, daß es sich hier um keinen
Schleifer Solinger Art handelt, sondern es heißt ausdrücklich: in seiner
neu gebauten Mühle, während in den zehn vorangegangenen Fällen, in den
hiesige Handwerker aufgeführt sind, stets von Schleifkotten oder einfach
Kotten die Rede ist. Der Kölner Bürger hatte zweifelsohne keinen
Schleifkotten erbaut, sondern eine jener Mühlen, wie sie für einen
Kölner in damaliger Zeit weit eher in Betracht kommen mußten.
Denn vor
Bekanntwerden des Indigo wurde überall so auch in Deutschland die
Waidpflanze zur Herstellung der Bläue in großem Maßstabe verwendet.
(Beispielsweise lag in Thüringen die Blütezeit des Waidanbaus
in der Zeit von 1230 bis 1680.)
Der
Verkauf des Waid fand in Köln auf dem sogenannten Waidmarkt statt und
die "Waidfärber" spielten zu jener Zeit in Köln eine große Rolle, wie
sie auch dem "Blaubach" in Köln ihren Namen gegeben haben. Die Annahme
liegt unter diesen Umständen nahe, daß der Bürger Dentz auf den Kölner
Markt gebrachte Waidpflanzen zur Wupper fahren ließ, um sie dort auf
eigenen Waidmühlen zu zermahlen und entsprechend zu verarbeiten, bis
sich nach eingetretener Gärung die Indigo-Farbe ausschied, wie sie
allgemein zum Färben, z.B. von Geweben usw., Verwendung fand. Hiernach
würde die Überlieferung ihre zwanglose Erklärung gefunden haben.
Wie lange diese Waidmühle ihre Arbeit verrichtet hat, läßt sich nicht mehr nachweisen. Sicher ist, daß sie später einem Schleifkotten hat Platz machen müssen. Die Karte von Ploennies führt hier zwei Schleifkotten an der Wupper, also einen Doppelkotten, auf.«
Kartenmaterial: Grundkarte - Eingetragen ist der Pfad vom Untenrüdener- zum Obenrüdener Kotten. Anfang August 1910 geht folgende postalische Ansichtskarte an den Kanonier (Soldat, der ein Geschütz bedient) Lintorf, der zu dieser Zeit Bursche beim Leutnant (unterster Offiziersgrad) Kaiser in Cöln war. Gestempelt ist die Karte zu Oberwiddert.
Blick von Osten auf Obenrüden (vor 1910):
Der Untergraben vom Obenrüdener Kotten. Das Gebäude ist schon vorhanden, aber erst am 18. Mai 1929 eröffnete der Schleifer Hugo Meis mit seiner Frau Klara in ihrem bergischen Fachwerkhaus den noch heute bestehenden Gasthof Rüdenstein. Hilfreich zur Seite standen dabei der Bruder Max Meis mit seiner Frau Hedwig. -- Vom Schleifer zum Gastwirt .. Folgende Luftaufnahme zeigt Obenrüden Anfang September 2001. Blickrichtung gen Süden. »1750/51 werden Schleifermeister "Joan Voes und Joan Knechtgen in der Kellnereirechnung von Jülich-Berg, Amt Solingen [hf3] mit einer jährlichen Wassererkanntnus von 1 Goldgulden und 32 alb" aufgeführt. Späterhin 1797/98 wird an der gleichen Stelle [hf4] einem Peter Knecht und Joan Voess - offenbar den Nachkommen der vorerwähnten Schleifermeister - die Bauerlaubnis zu einem neuen Kotten gegen Erstattung einer jährlichen Abgabe von einem Goldgulden erteilt. Wahrscheinlich hat es sich hierbei um die Neuerrichtung des Vorderkottens gehandelt, denn ein Eckstein des Hinterkottens - des heute noch erhaltenen ältesten Teiles der ganzen Anlage - weist deutlich die Jahreszahl 1739 auf.
Es verlohnt sich, diesen Teil des Kottens näher zu betrachten, in dem heute in gleicher Weise wie früher von dem tüchtigen Schleifermeister Voos aus Widdert Schwerter geschliffen werden. Es läßt sich an diesen alten Bauteilen noch nachweisen, daß früher das Trockenschleifen der Schwerter in einem fast offenen Raume geschah. Im Sommer mochte dies wohl angehen, wurde es draußen aber ungemütlich, so mußte man bei der Arbeit zwischendurch seine Zuflucht zur "Wärmestube" nehmen, d.h. einen kleinen einigermaßen abgeschlossenen Raum, der durch einen Herd erwärmt wurde. Wurde es aber im Winter gar zu kalt, so war man gezwungen, mit der Arbeit auszusetzen. Als Thermometer diente dem Schleifer das Spültuch, das "Schöttelplaggen". Fror dieses steif, wenn man es morgens beim Aufstehen draußen an die Türklinke der Wohnung gehängt hatte, so war es zu kalt, um in den Kotten zu gehen; man blieb daheim. Abb. 21 - Schleifermeister Voos bei der Arbeit
Die Räumlichkeiten in dem alten Teil des Obenrüdener Kottens sind zum Teil außerordentlich klein und ineinandergeschachtelt gebaut. Abb.21 zeigt uns die kräftige Gestalt des Schwertschleifermeisters Voos bei der Arbeit. Sonst werden in diesem Kotten auch noch Messer verschiedener Art geschliffen u.a. schleifen bezw. pließten dort zur Zeit drei Mädchen in Mannskleidern "Die Rosen aus dem Rüden".« Soweit die Schilderungen von Franz Hendrichs. Die Zeichnungen entstammen ebenfalls dem genannten Buch und sind nach der Natur aufgenommen von Artur Uellendall, Solingen. Was die "Rosen aus dem Rüden" sind, versuchen wir derzeit zu klären. [Nachfolgend erste Ergebnisse] "Rosen aus dem Rüden": Franz Hendrichs bezieht sich hiermit auf das sogenannte Rosenmuster, ein besonderes Muster bei der Damaszenerstahlherstellung. Es gab in Solingen eine typische Art des Rosendamastes, dabei wurde ein zunächst "wilder Damast" mit runden Stempeln versehen, die dann anschließend geschliffen wurden, so dass das bekannte Rosenmuster zutage trat. [Info: Deutsches Klingenmuseum Solingen] Rosendamast zeigt kleine oder große Kreisgebilde im Muster. Der "kleine" Rosendamast ist in Solingen ein Stempeldamast, der "wilden" Damast in einen gemusterten Damast umwandelt; gleiche Technik wie bei Banddamast oder "falschem" türkischem Damast. [Sachse,Manfred: Alles über Damaszener Stahl. Wirtschaftsvlg. NW., Bremerhaven, 1993.] Weitere Fundsachen .... noch etwas ungeordnet:-(
Von Franz Hendrichs genannte Quellen:
[hf1] Solinger Tageblatt vom 21. Oktober 1921 [hf2] v.Mering, Geschichte der Burgen, Rittergüter, Abteien und Klöster, XI. Heft, S.146. Dort findet man die Passage zur Eisenschmelze mit Sicherheit nicht! Das IX. Heft ist ergiebiger und gleichzeitig ernüchternd. Warum? Nach Mering ließ ein Graf von Velbrück um das Jahr 1760 (== 18. Jahrhundert) eine Eisenhütte an dem beschriebenen Ort errichten, die aber das Versuchsstadium nie verlassen haben soll. Schon die ersten Versuche ergaben, dass der in der näheren Umgebung abgebaute Eisenstein für einen wirtschaftlichen Betrieb nicht ergiebig genug war. Der Bergwerksexperte, welcher dem Grafen zu dieser Anlage den Rat gegeben hatte, fand es für sein körperliches Wohlbefinden sehr zuträglich, seine Wirkungsstätte schnell zu verlagern. [hf3] Staatsarchiv Düsseldorf [hf4] Staatsarchiv Düsseldorf, s.Anhang 7 |
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©2001-2005 Michael Tettinger, So. 26.08.2001, letzte Änderung: Sa. 15.10.2005 |