Schleifkotten an der Wupper - Hohlenpuhler Kotten

Folgenden Zeitungsartikel fand ich im Solinger Stadtarchiv.

Das Ende des Hohlepuhler Kottens

300jähriger Zeuge verschwindet - Aus seinen letzten Jahren

Solinger Tageblatt vom 16.6.1950

Einer der ältesten Schleifkotten an unserem Heimatfluß war ohne Zweifel der "Hohlepuhler Kotten". Vor rund 300 Jahren erbaut, hat er viel "erlebt". Die feinsten Solinger Schleifwaren wurden dort geschliffen. Als nach dem Kriege 1870/71 die Blütezeit der Solinger Industrie begann, da waren die Hohlepuhler Schleifer mit Arbeit überlastet. Aber sie wußten sich zu helfen. Es wurden Lehrlinge über Lehrlinge eingestellt. Konnte man solche in unserer Heimat nicht bekommen, dann wurden sie eben aus der Fremde geholt. Ein Schuster von Meiswinkel besorgte sie und hatte feste Preise. Je nach Größe kosteten diese jungen Leute 6, 8 oder 10 Thaler. Viele von den aus der Fremde geholten Lehrlingen leben heute noch in Solingen, viele zogen aber auch nach beendeter Lehrzeit in ihre Heimat zurück.

Nach dem ersten Weltkrieg gab es vorerst wieder Arbeit in Hülle und Fülle. Die Schleifstellen waren sehr knapp und nun glaubten die Kottenbesitzer, mit der Miete für die Schleifstellen beliebig in die Höhe zu gehen. Hatte man früher für eine Arbeitsstelle 1 DM in der Woche gezahlt, so hatte man nun 2,50 Mark zu zahlen. Das war für einen Wupperkotten entschieden zu viel, da eine Anzahl Kottenbesitzer (der Hohlepuhler Kotten hatte deren 6) wohl die 2,50 Mark einheimsen wollten, hingegen an keinerlei Reparaturen dachten. Die Folgen blieben selbstverständlich nicht aus. Ein Mieter nach dem anderen legte elektrische Betrieb an und war für immer als Wupperschleifer verloren. Es dauerte deshalb auch garnicht lange, da mußte ein Viertel vom Hohlepuhler Kotten stillgelegt werden. Jetzt begann der Verfall des Kottens ganz rapid.

Der zweite Weltkrieg begann. Die jüngeren Schleifer des "Hohlepuhler Kottens" wurden zur Wehrmacht eingezogen. Uebrig blieben nur "alte Strategen". Jetzt reichte die Miete tatsächlich nicht mehr für die nötigen Reparaturen. Die Eigentümer verkauften ihren Anteil an das RWE und errichteten sich selbst einen elektrischen Betrieb. Der Außenkotten wurde stillgelegt. Die noch verbliebenden Schleifer zogen in das letzte Viertel des Innenkottens. Zum Schluß waren nur noch zwei alte Schleifer in dem Kotten; das war die ganze Belegschaft.

Mit zunehmender Bombengefahr zogen aber Familien aus Solingen in den Kotten oder mieteten sich eine Stube, um ihre Möbel unterzustellen. Inzwischen war das Jahr 1945 angebrochen. Unsere Wehrmacht war bis über den Rhein zurückgegangen. In dem Ausflugslokal Wipperaue hatte man ein Lazarett eingerichtet. Der weitaus größte Teil des Personals wurde im Hohlepuhler Kotten einquartiert. Jetzt kam Leben in den Kotten. 1800 Liter Sprit hatte diese Leute mitgebracht und nun wurde vom frühen Morgen bis zum späten Abend Likör gebraut. Ferner wurde eine Entlausungsanstalt und eine Holzschneiderei eingerichtet. 80 Ukrainer lagen in dem Kotten. Diese gehörten ebenfalls zu dem Sanitätspersonal. Das war eine wilde Bande. Wenn sie nicht im Kotten "Likör soffen", dann nahmen sie ihren Karabiner und gingen auf die Jagd. An solchen Tagen war es nicht geheuer in den Wupperbergen. Es wundert uns nur, daß damals keine Unglücksfälle eingetreten sind.

Am 16. April 1945 trafen die Amerikaner in den Wupperbergen ein. Das Sanitätspersonal war am Tage vorher abgezogen. Es waren sehr unruhige Tage. Als die beiden Schleifer am 18. April im Kotten nach dem Rechten sehen wollten, fanden sie den ganzen Kotten mit Russen bevölkert. Diese bisher in Solinger Fabriken bechäftigten Leute hatten sich hier niedergelassen. Männer und Frauen in buntem Durcheinander. Ohne weiteres holten sich diese Russen bei den Landwirten eine Kuh aus dem Stalle und schlachteten sie im Hohlepuhler Kotten. So wurde derselbe eine Räuberhöhle, denn Schafe und Geflügel wurden ebenfalls nicht verschmäht. Nach einiger Zeit kam deutsche Polizei in Gemeinschaft amerikanischer Soldaten und hoben das ganze Räubernest aus.

Inzwischen waren auch einige Schleifer vom Militär zurückgekommen und es hatte den Anschein, als ob der Hohlepuhler Kotten doch noch im Betrieb bleiben würde. Aber nicht lange, denn eine Anzahl Mieter verlegten ihre Arbeitsstätte nach dem Wipperkotten, da hier die Arbeitsbedingungen weit günstiger lagen. Damit war das Schicksal des Hohlepuhler Kottens erledigt. Die zwei letzten konnten den Kotten nicht in Betrieb halten, sie besorgten sich auch andere Arbeitsplätze und zogen aus.

Jetzt war der Kotten einsam und verlassen. Jeder, der etwas benötigte, ging zum Hohlepuhler Kotten. Man begann den Abbruch, aber nicht etwa oben, sondern unten. Bald krachte hier, bald da ein Stück zusammen. Unzählige Dachziegel gingen dabei in Trümmer. Bald sah der Kotten aus wie eine scheußliche Ruine. Es war mit Lebensgefahr verbunden, an ihm vorbei zu gehen, denn jeden Augenblick konnte der Einsturz erfolgen.

Nunmehr wird dieser "Schandfleck" des Wuppertales beseitigt, denn Arbeiter sind damit beschäftigt, die Gebäude niederzulegen. Wenn die Gebäude verschwunden sind und der Platz eingeebnet ist, ist auch für die Autos ein Gefahrenpunkt beseitigt, denn dann sind die Kurven am Hohlepuhler Kotten schon von weit her gut zu übersehen.

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©2002 Michael Tettinger, Mo. 20.05.2002, letzte Änderung: Mo. 20.05.2002
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