Schleifkotten an der Wupper - Hohlenpuhler Kotten

Ende 1941 erschien im Solinger Tageblatt folgender Bericht:

Ein Solinger Wupperkotten als Maler-Atelier

Künstler und Schwertschleifer bei gemeinsamem Schaffen - Vom "Hohlepuhler Kotten" und seiner Vergangenheit

Solinger Tageblatt vom 12.10.1941

R. Sch. Unsere Wupperkotten im Mittellauf des "bunten Flusses" können häufig auf eine ereignisreiche Geschichte zurückblicken. Daß einer von ihnen für die Dauer mehrerer Wochen als Maler-Atelier benutzt wurde, steht aber doch wohl vereinzelt da. Für die Schleifer des "Hohlepuhler Kottens" oberhalb der Wipperaue war es daher auch ein etwas ungewohntes Ereignis, als der Zeichenlehrer Schmitz-Beutin aus Leichlingen erschien, um einen der Arbeitskameraden des Kottens zu malen. Er führte damit den Auftrag der Deutschen Arbeitsfront aus, die als Wandschmuck ihrer Dienststelle in Leichlingen das Bild eines Schwertschleifers bei der Arbeit gewählt hatte. Auf diese Weise erhielt der Arbeitsraum im Hohlepuhler Kotten, in dem das "Modell" tätig war, eine besondere Note. In dreiundzwanzig, fast täglichen "Sitzungen", die nachmittags abgehalten wurden, entstand das Werk während der Arbeitszeit des Schleifers. Häufig erschienen dabei Zuschauer, darunter viele Spaziergänger, die mit Interesse das Zustandekommen des Bildes verfolgten. Bild: Der Maler und sein Modell Ein Lichbildner verewigte auf der Platte die nebenstehende Szene, die den Künstler und Schwertschleifer gleichzeitig bei ihrer Berufstätigkeit vereint. Aus diesem Anlaß dürfte es auch von Interesse sein, einmal kurz auf die Geschichte des "Hohlepuhler Kottens", der einer der ältesten des gesamten Solinger Stadtgebietes ist, einzugehen. Die Unterlagen stammen teilweise aus alten Dokumenten, dann aber auch aus Ueberlieferungen von Vorfahren der heutigen Schleifergenerationen.

Hiernach blickt der "Hohlepuhler Kotten" auf ein Alter von 300 Jahren zurück. Er wurde aber im Laufe der Zeiten mehrfach von Brandunglücken heimgesucht, die verschiedene Teile vernichteten, so daß von dem ursprünglichen Bau nichts mehr übrig geblieben ist. Zuletzt brannte im Jahr 1858 der Außenkotten vollständig nieder. Die damaligen Eigentümer, Daniel Meis - Lache, Eduard Neuhaus - Vormeiswinkel, Nathanael Klauberg und Karl Meis - Hintenmeiswinkel, sorgten jedoch für einen baldigen Wiederaufbau. Der Kotten fällt durch seine eingenartige Lage besonders auf. An seiner Hinterfront ragen heute noch Felsen steil empor. Der Bauplatz mußte dem Stein abgerungen werden, und noch heute besteht an der oberen Hälfte die Rückwand sozusagen nur aus Felsen. Außerhalb ist ein Weg über diese angelegt, auf den man in das erste Stockwerk gelangen kann. Welche Gründe die ersten Erbauer für die Wahl gerade dieses Platzes gehabt haben, ist eigentlich schwer zu erklären, den 30 Meter unterhalb des Kottens befindet sich ein vollständig freies Baugelände. Auch der Anmarsch muß einst nicht einfach gewesen sein. Wupperaufwärts ragen die gefährlichen "Hohlepuhler Kleppen", unmittelbar am Wupperufer, steil empor. Nur ein schmaler Fußweg führte an ihnen entlang. Er war teilweise so eng, daß zwei Personen nicht aneinander vorbeigehen konnten. Aehnlich lagen die Dinge bei den übrigen Zugangswegen durch die "Hodell", den "Pöttsiepen" oder den "Henkelsberg". Allerdings arbeiteten in dem Kotten früher auch keine Schwertschleifer, sondern durchweg Kräfte, die feinere Sorten von leichten Stahlwaren herstellten und deshalb auf dem Hin- und Rückweg zur Arbeitsstelle bedeutend geringere Lasten zu tragen hatten.

Ursprünglich waren die jeweiligen Eigentümer des Kottens dem Besitzer von Haus Nesselrath gegenüber abgabepflichtig. Nichts konnte die Wupperschleifer aber mehr ärgern als derartige Ausgaben, für die sie keine Gegenleistung zu erwarten hatten. In der Zeit der Besetzung des Bergischen Landes durch Napoleon im Jahre 1808 hob dieser auch die Gerechtsame aus. Als der Korse aber 1816 verschwunden war, erschienen kurz darauf die Nesselrather erneut, um auf ihre alten Rechte zu pochen. Die Hohlepuhler Schleifer hörten den Vortrag des Abgesandten ruhig an, griffen aber, als dieser nicht verschwinden wollte, zum "Ohrtspohn" oder Kottenknüppel und verteidigten hiermit ihre Ansicht. Seitdem hat keiner der Schleifer mehr an diese Stelle einen Pachtzins gezahlt.

In der Vergangenheit des "Hohlepuhler Kottens" spielte im Laufe der Zeiten die Eigentümerfrage eine große Rolle. So gab es zeitweise nicht weniger als 25 Teilhaber, unter denen allerdings einige nur über 1/32 oder noch geringere Anteile verfügten. Eine solche "Vielherrlichkeit" wirkt sich natürlich recht nachteilig aus, denn mit dem Besitz waren auch die Unterhaltspflichten verbunden. Manchmal lehnte ein Eigentümer die Verpflichtung ab, während der andere dazu bereit war. So war zu verzeichnen, daß häufig ein Teil des Kottens in Ordnung und betriebsfähig blieb, während der andere Verfallserscheinungen zeigte, die immer stärker wurden. Dazu haben Wind und Wetter sowie zerstörungswütige junge Burschen dafür gesorgt, daß es wohl nicht mehr lange dauern wird, bis Abteilungen des Kottens wegen Baufälligkeit niedergelgt werden müssen. Wo früher eine große Anzahl von Schleifern mit ihren Lehrlingen tätig waren, sieht man heute nur noch verhältnismäßig wenige ihrer Beschäftigung nachgehen. Diese Tatsache läßt den Blick zurückschweifen in jene Jahre, wo gerade in diesem Kotten die besten Facharbeiter unserer Industrie tätig waren. Auf neuen Zuzug ist auch wohl nicht mehr zu rechnen, da in den letzten zwanzig Jahren kein fremder Lehrling eingestellt wurde und außerdem eine Reihe von Stellenmieter elektrische Betriebe angelegt haben. Die Zeit könnte also nicht mehr fern sein, in welcher der "Hohlepuhler Kotten" sein Pforten für immer schließt.

Tritt dies ein, dann wird damit ein gutes Stück Schleifer- und Heimatgechichte unserer Höhscheider Wupperberge zu Grabe getragen. In der Erinnerung dürfte aber der "Hohlepuhler Kotten" stets fortleben, auch schon dadurch, daß sein Bild sich als Zeichen bergischen Fleißes auf einem der Notgeldscheine befindet, welche die ehemalige Stadtgemeinde Höhscheid in der Inflationszeit verausgabte.

Ein paar Anmerkungen:
Nur im geschichtlichen Kontext sind diverse Formulierungen zu verstehen. Zur Erinnerung, wir befinden uns zu jener Zeit im Zweiten Weltkrieg. Auf Solinger Stadtgebiet fielen am 5. Juni 1940 die ersten Bomben. Bis zum 30. Mai 1943 entstanden durch Fliegereinwirkung nur geringe Schäden....[Heinz Rosenthal, Geschichte einer Stadt, Band III, Seite 435]
Arbeitskamerad, Deutsche Arbeitsfront, Arbeitsraum, junge Burschen, Unterhaltspflichten, Facharbeiter unserer Industrie, ....
Lichtbildner, heute nennen wir diese Berufsgruppe Fotografen.

Mit seiner Vermutung, dass der Kotten in naher Zukunft seine Pforten schließt, lag der Autor nicht ganz falsch. Es dauerte nur noch 9 Jahre bis zur endgültigen Niederlegung. An die mittelbaren Folgen des Krieges dachte er mit Sicherheit noch nicht.

Wer kann sich heute noch an die Inflationszeit erinnern?
Mir liegen unterschiedliche Notgeldscheine vor, auf denen der Hohlenpuhler Kotten abgebildet ist.

Was nach mehr als 50 Jahren geblieben ist? Würde gerne einmal eine Umfrage starten. Vielleicht schreiben sie mir ihre Erinnerungen. Ich vermute folgendes Ergebnis: Hohlenpuhler Kotten? Ist das nicht die Strasse, die wegen der Kröten im Frühjahr gesperrt wird? Kotten? Balkhauser Kotten, Wipperkotten. Gab es da noch andere?

Bunter Fluß? Ob der Autor die Einleitungen der Wuppertaler Industrie meinte, die die Wupper an manchen Tagen unnatürlich färbten?

Bild: Freier Bauplatz Eigenartiger Bauplatz: Eine Frage, die nicht nur in diesem Artikel gestellt wird, der ich mich nur anschließen kann. Und jeder Wanderer wird die Autoren und deren Alternativen verstehen. Leider wird dabei eines vergessen, das Bild zeigt es vielleicht. Unterhalb des Hohlenpuhler Kottens liegt in Sichtweite der Wipperkotten, ebenfalls ein alter, sehr alter Kotten. Als damals die ersten Eigentümer des Hohlepuhler Kottens sich Gedanken um ihre zukünftige Wirkungsstätte machten, da dürfte der Wipperkotten schon bestanden haben und neben dem Bauwerk das Wehr. Kurz gefasst: Zum Betrieb eines Wasserrades benötigt man ein Gefälle oder anders ausgedrückt: bestimmte technische Voraussetzungen müssen gegeben sein. Soll heissen, der Rückstau vom Wipperkotten und die mögliche Wehrhöhe vom zukünftigen Hohlenpuhler Kotten dürften eher für die Standortfrage entscheidend gewesen sein. Die Eigentumsfrage der betreffenden Grundstücke dürfte auch nicht unerheblich gewesen sein.

Der hier zitierte Beitrag dürfte einige Autoren zu späterer Zeit angeregt haben, selber zur Feder zu greifen. Beispielsweise erschien zwei Monate später im Generalanzeiger ein Bericht mit dem Titel: Der Hohlepuhler Kotten - Ein Stück Schleifer- und Heimatgeschichte der Wupperberge

Eine letzte Frage: Gibt es das Bild noch, welches der Künstler im Auftrage der "Deutschen Arbeitsfront" angefertigt hat?

Deutsche Arbeitsfront, Achse des Friedens, Kampf dem Terror: Jede Zeit hat ihre eigene Sprache.

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©2002-2003 Michael Tettinger, Mo. 20.05.2002, letzte Änderung: Sa. 06.12.2003
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