Schleifkotten an der Wupper - Dritter Kotten

Burgholzkotten

Folgender Artikel erschien am 20.10.1938 in der Rheinischen Landeszeitung:

Aus der Geschichte des dritten Kottens

Der dritte oder Burgholzkotten / Friedlose und friedliche Arbeitspartner / Großer Stein und "kleine Stellen"

Heimatliche Industriegeschichte

»Vom Sippenverband Kratz wird uns geschrieben:
Einer größeren Anzahl altheimatlicher Geschlechter ist der ehemalige dritte Kotten an der Gräfrather Wupper eine Stätte der Erinnerung an längst dahingegangene Ahnen. Zu ihnen gehört auch das alte Schleifergeschlecht Kratz, von dem mehrere Söhne im 19. Jahrhundert im dritten Kotten ihr Schleiferbrot verdient haben. Der Sippenverband Kratz glaubt nicht nur alten Heimatgeschlechtern, die durch Ahnenbande mit dem dritten Kotten verbunden sind, sondern darüber hinaus noch vielen Freunden der Heimatgeschichte einen Dienst zu tun, wenn er einiges aus der Geschichte des genannen dritten Kottens erzählt.

Der dritte Kotten oder Burgholzkotten, schon 1715 an einer der landschaftlich schönsten Stellen des mittleren Wuppertales gelegen, war in Wirklichkeit nicht ein Kotten, sondern er bestand aus zwei selbständigen Kotten unterhalb der Evertsaue. Der kleinere vordere Kotten lag auf der rechten Seite des Obergrabens, der größere hintere dagegen zwischen der Wupper und dem Obergraben. Die Stelle an der Wupper, wo die beiden Kotten standen, hatte den Flurnamen "Am Kleeblech". (Kleebleiche?)

Der vordere Kotten gehörte 1839 gemeintschaftlich den Familien Peter Grah auf dem Schieten, der seinen Anteil (ein Viertel) von Abraham Jüngel zu Oben zum Holz gekauft hatte, den Erben Wilhelm Weck (ein Viertel), Johann Iserloh (ein Viertel) und Abraham Lauterjung (ein Viertel). Zwei Viertel des Kottens, nämlich die südliche Hälfte, erwarb einige Jahre später der Sägenschleifer Johannes Picard von Kronenberg- Herichhausen.

Ein böser Streitfall

In dem vorderen Kotten liefen zwei große Schleifsteine, außerdem in jeder Hälfte fünf Scheiben und drei kleine Steine. Im Frühjahr 1849 kam durch die Schuld von Johannes Picard in den vorderen Kotten ein böser Streitfall, der wiederholt das Solinger Friedensgericht und das Elberfelder Landgericht beschäftigte.

Picard, dem einer der beiden großen Schleifsteine gehörte, hing einen zweiten großen Stein (einen sogen. Brangstein von 3 3/4 Fuß Durchmesser) zum Schleifen von Sägen auf, während dort die übrigen Schleifer Solinger Stahlwaren schliffen. Er glaubte ein Recht dazu zu haben, indem er dafür vier von seinen Pließtstellen eingehen ließ. Die Eigentümer der anderen Hälfte des vorderen Kottens, nämlich die Schleifer Peter Grah, Schieten, und die Schleiferwitwe Katharina Lauterjung, geb. Kirschbaum, bewiesen ihm in einem langen, kostspieligen Zivilprozeß durch die Gerichte in Solingen und Elberfeld das Gegenteil.

Sie beantragten, das Friedensgericht wolle beschließen, den Beklagten, Joh.  Picard, zu verurteilen, den zweiten großen Stein, durch welchen den Klägern ein Teil der ihnen zustehenden halben Triebkraft des gemeinschaftlichen Wasserrades entzogen werde, wieder zu entfernen. Der zweite Stein verbrauche viermal mehr Triebkraft, als die vier weggelassenen "kleinen Stellen" zusammen. Als Prozeßzeugen traten auf: Daniel Schaberg, 53 Jahre alt, Schleifer zu Gräfrath, von Jugend auf im hinteren dritten Kotten tätig; August Weck, Schleifer zu Oben zum Holz, 34 Jahre alt (hat neun von zehn Jahre bei der Klägerin geschliffen), Friedrich Schaberg, 34 Jahre alt, zu Oben zum Holz, und Friedrich Weck, 40 Jahre alt, wohnhaft in der Külf.

Wichtiger noch als die Aussagen dieser Zeugen war das Ergebnis der "Expertise" (Untersuchung durch Sachverständige), die auf Anordnung des Gerichts durch die "Experten": Fabrikant Arnold Schröder an der Evertsaue, Schleifer Abraham Berger, in der Au, Gemeinde Remscheid, und Schleifer Ludwig Ern zu Meiswinkel, Gemeinde Höhscheid, am Dienstag, dem 6.  November 1849, im vorderen dritten Kotten durchgeführt wurde und den Antragstellern Grah und Lauterjung recht gab. Man staunt darüber, wie genau damals festgestellt wurde, in welchem Verhältnis der Verbrauch der Wassertriebskraft durch den Brangstein zu der Inanspruchnahme der Triebkraft durch die vier fortgelassenen Pließtstellen stand. Picard mußte den zweiten Stein wieder entfernen und dazu einen netten Batzen Geld an "Strafe und Kosten" zahlen, und, was vielleicht das Schlimmste war, der Frieden innerhalb der Kottengemeinschaft war für lange Jahre dahin. Ein Viertel des vorderen dritten Kottens hatte damals einen Taxwert von 5000 Taler.

Frieden im großen Kotten

Im hinteren großen dritten Kotten ging es damals friedlicher zu. Dieser Kotten gehörte in den Jahren 1843 gemeinschaftlich den Schleifern Isaak Linder zu Unten zum Holz, dessen Schwager Gustav Kratz am Paashaus, dessen Vetter Benjamin Kratz zu Oben zum Holz und Friedrich Schaberg zu Oben zum Holz. Am 29. August 1843 teilten sich die vier Schleifer den Kotten so, daß Gustav Kratz und Isaak Linder die obere oder nördliche Kottenhäfte erhielten, während Benjamin Kratz und Friedr.  Schaberg die untere oder südliche Hälfte bekamen, Wassergerechtsame, Wasserstauung, Zu- und Abflußgräben, Wasserad, Kammrad usw.  blieben gemeinschaftliches Eigentum. Da die obere Kottenhäfte mehr wert war als die untere Hälfte, erhielten die Schleifer Benjamin Kratz und Friedrich Schaberg von Gustav Kratz und Isaak Linder je eine Ausgleichssumme von 49 Taler und 25 Silbergroschen. Am 20. März 1855 verkaufte Benjamin Kratz seinen Anteil (ein Viertel) an der unteren Hälfte dem Messerfabrikanten Carl Engels und dessen Bruder Schleifer Friedrich Engels, beide zu Unten zum Holz "samt allen An- und Zubehörungen und Teich, Damm, Ober- und Untergraben und Schleifergerätschaften" für 1450 Taler. Da die Gebr. Engels jedoch das Geld für den Kaufpreis nicht rechtzeitig aufbringen vermochten, nahm Benjamin Kratz sein ehemaliges Kottenviertel auf Grund eines Rückkaufvertrags am 6. Juni 1855 wieder zurück.

Der hundertjährige Kratzkotten

Gustav Kratz vom Paashaus hatte den dritten Kotten schon 1853 verlassen. Er hatte vom Färbereibesitzer Friedhelm Wilh. Rüttgers zu Gräfrath dessen Knochenmühle bei der Ortschaft Itterbruch im oberen Ittertal für 1400 Taler käuflich erworben. Diese verwandelte er in einen Schleifkotten, der nach ihm Kratzkotten genannt wurde und 1935 sein hundertjähriges Betriebsjubiläum feiern konnte.

Wasserrad-Achsen oberschlächtiges Wasserrad Eishaus Kratz-Kotten
colorierte Ansichtskarte, die einen Kotten an der Itter zeigt
Schleifkotten im Ittertal, AK von 1913.
Die Karte zeigt nicht den Kratzkotten, sondern den Trinns- bzw. Schäferskotten, in dem das Ittertaler Schleifer- und Heimatmuseum von 1927 bis 1944 residierte.

Außer den genannten Kratz hat in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Ferd. Kratz lange Jahre hindurch im dritten Kotten Spezialscheren für den Fabrikanten Hugo Schulder in Solingen geschliffen. Auch mehrere Schleifer, Grah, Ohliger, Scheffen und Könkler, haben dort ihr Schleiferbrot verdient.

Beide Schleifereien des dritten Kottens sind vor mehreren Jahrzehnten den Weg alles Vergänglichen gegangen. Das ehrende Andenken an ihre fleißigen Schleifer, die ebenfalls längst das Zeitliche gesegnet haben, lebt aber lebendig in ihren Nachkommen fort. C. «

Bitte denken sie daran, wann dieser Artkel geschrieben wurde. 1938! Vielleicht sollte ich einmal den Aufmacher der Zeitung hinzufügen. Irgend etwas mit U-Booten hatte er zu tun; wahrscheinlich eine Erfolgsmeldung.

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