Kohle

Der Kohlehändler sitzt zu Beginn der Szene hinter einem blauen Pfeiler und versteckt sich. Dann guckt er links hervor.


Kohlenhändler

Dat mit den Kohlenabwerfen, dat kam selten vor (versteckt sich wieder und guckt dann rechts von dem Pfeiler hervor). Dat waren natürlich auch die großen Jungens. De kamen da selten her, diese Kohlenzüge, die kamen meistens aus der anderen Richtung, wo sie ja schon mal waren. Am Hauptbahnhof (stellt sich auf eine Palette hinter dem Pfeiler und gibt mit der rechten Hand ein Signal). Da fuhren die bis an den Nordbahnhof, dann evtl. noch ´n Stück weiter bis Wald, ja? (wickelt sich um den Pfeiler) ne? Aber dann hörte dat auf (läuft unter die Rampe).

Ja, wenn die am Tage fuhren. Aber da war nur dat war ´ne ganz gefährliche Geschichte. Wegen des Tunnels. Wenn die nich früh genug absprangen, dann au diesem Schotter, da...ne? Wo dann (kommt unter der Rampe hervor und versucht, auf das Geländer zu kommen)...der Schotter ging ja rechts und links ging der ja in ´n Wassergraben rein. Also, dat war schon ne gefährliche Sache (hängt sich an das Geländer und zieht sich langsam hoch. Dann spannt er sich über zwei Felder des Geländers). Und später waren dann auch irgendwelche Bahnbedienstete (hängt sich in das Geländer), die hingen dann an den Waggons dran und passten auf, ne? Nur et war wie gesagt gefährlich (stellt sich auf das Geländer und geht hin und her wackelnd ein Stück). Man konnte et nur an Stellen machen wo die extrem langsam fuhren und nich grad ´nen Abhang war oder wie hier, dieser Schotter. Dat konnte verdammt wehtun, wenn man da absprang, ja?

(lässt sich im Geländer hängen und legt sich dann in ein Feld des Geländers hinein)

Dat waren offene Wagen, die Kohlenwagen, die waren ja alle so offen (zieht sich nach oben und stellt sich auf die Rampe). Die sind dann auf den Zug aufgesprungen, wenn der an dem Signal stehen bleiben musste. ja? ne? Und haben dat dann abgeworfen (tanzt am Geländer festhaltend Ballett und macht dabei Handbewegungen, als ob er Kohle abwerfen würde). Ja, und dann haben wir nur eingesammelt. Wenn wir die jetzt nich sammelten, sammelten wir ´ne Stunde später (geht zu dem blauen Pfeiler auf der Rampe und stellt sich drauf. Oben breitet er die Arme zu beiden Seiten aus). Und solang konnten die die Leute nich stehen lassen. Die hatten ja auch zu wenig Leute, damals, die Bahnen. Die Bähner waren ja entweder im Krieg oder in der Gefangenschaft oder waren gefallen. Hatten ja zu wenig. Und die Engländer, die die Amerikaner...Wir hatten ja zuerst amerikanische Besatzungsmacht, hier. Paar Monate lang. Und die sind von den Engländern abgelöst worden, hier. Die bekümmerten sich da nicht.

Ja, dat war schon n' Abenteuer.


Am Ende des Textes steigt er wieder von dem Pfeiler herunter und geht nach rechts ab.

©2006 Michael Tettinger, Sa. 16.09.2006, letzte Änderung: Sa. 16.09.2006