Schleifkotten an der Wupper - Arnsberger Kotten

Wanderbuch

Wie schon an anderer Stelle erwähnt, fand ich in unserem Bücherregal dieses unscheinbare Buch aus dem Jahre 1922. Hier das Kapitel zum Arnsberger Kotten.

[ Hendrichs, Franz: Die Schleifkotten an der Wupper, Köln 1922, S.71ff ]

Franz Hendrichs
Arnsberger Kotten

» Alte Ansichten des Wiesenkottens zeigen noch eine Wupperfähre, die den Verkehr zwischen den beiden Ufern vermittelte. Jetzt benutzen wir auf unserer Wanderung die 1893 von Otto Jörgens angelegte Fußgängerbrücke und befinden uns gleich hinter dem Kotten an schroff abfallenden Abhängen. Das Tal verengt sich. Die bis in die neueste Zeit hinein gut bewaldeten Höhenzüge lassen im Tal nicht viel Raum zum Anbau. Aber trotz der außerordentlich erschwerten Zugänglichkeit finden wir auch in dieser Gegend Spuren einstiger reger Tätigkeit. Noch ist deutlich zu sehen, wo der besonders leistungfähigen Arnsberger Kotten, "der Kotten am Arnsberge", gestanden hat und zwar auch als Doppelkottenanlage. Im letzten Jahrhundert waren die Eigentümer des Vorderkottens die Schleifermeister Lauterjung, Klauberg und Meis, während mit dem Hinterkotten Namen wie Nippes und Lauterjung verbunden sind. Im Arnsberger Kotten sind wohl von je her sowohl Messer als auch Schlittschuhe und andere Remscheider Erzeugnisse, zumal Sägen geschliffen worden. Die Unzugänglichkeit dieses Kottens erhellt zur Genüge aus der Schilderung, die der jetzt 72jährige, aus Dorperhof gebürtige Schleifermeister Reinhard Meis von den Schwierigkeiten gibt, die jeweils mit dem Heranschaffen eines neuen großen Schleifsteins verbunden waren. War der Schleifstein, der damals schon in der Eifel gebrochen wurde und über Mosel und Rhein zu Schiff bis Hitdorf seinen Weg genommen hatte, auf der Achse von dort über die Wupperfurt bei Horn (bei Leichlingen) mühsam bis ins Solinger Gebiet gebracht worden, so konnte man den von Pferden gezogenen Wagen nur bis an eine Stelle am Hang seitlich vom Arnsberger Kotten heranbringen. Von da ab war man gezwungen, den Schleifstein den Abhang schräg herunterrutschen zu lassen, und suchte den Aufprall durch einen mächtigen Stoß Reisig zu dämpfen.

Unser prächtiger Gewährsmann weiß auch noch aus eigener Erinnerung "aus der guten, alten Zeit" von manchem köstlichen Schleiferbrauch zu berichten. So gehörte es sich, daß die Braut eines Schleifers, um auch ihre Zugehörigkeit zum Handwerk zu besiegeln, am Hillingstage [unserem Polterabend vergleichbar] mit zum Schleifkotten ging, sich dort, angetan mit den großen Schleifschuhen, den Wittblotschen, vor den großen Stein stellte und ein Schwert oder Messer schliff, so gut es gehen wollte. Die Braut war dabei von ihren Freundinnen, wie der Bräutigam von seinen Freunden begleitet. Für den Kotten war dies ein großer Festtag. Butterbrote und Zigarren wurden verteilt und dabei dem "Ronsdorfer" und dem "Köbes" -- letzterer ein Zuckerschnaps -- mehr zugesprochen, als wohl zwingend nötig gewesen wäre. Wurde aber gar "Kömpkes Tüch" gereicht, eine Schale, ein "Kump", mit Schnaps, in den Honigkuchen "Kestekoken" in kleinen Würfeln geschnitten war, so ging es begreiflicherweise besonders hoch her. Nur starke Naturen waren dieser Art Labsal gewachsen.

In jenen Zeiten wurde vielfach übermäßig lange gearbeitet. Beim Morgengrauen zog man in die Täler und oft wurde es spät am Abend, bis man auf die Berge zurückkehrte. Im Sommer, wenn das Wasser besonders knapp war, schlief man auch wohl im Kotten und arbeitete in der Nacht ein paar Stunden, wenn sich Wasser genug angesammelt hatte, das man dann nicht ungenutzt vorbei fließen lassen wollte. Zur Mittagszeit wurde den Schleifern das Essen meist durch Angehörige in den Kotten gebracht.

Wie wir schon an anderer Stelle gesehen haben, waren auch hier zwischen den Eigentümern des Arnsberger und des nächst höher gelegenen Kottens, des Anschlagkottens, fast dauernd Streitigkeiten wegen der Wupperstauverhältnisse. "Die Arnsberger" versuchten immer wieder ihr Wehr eigenmächtig zu erhöhen und behinderten dadurch die Arbeit des Anschlagkottens. Daraus ergab sich ein sieben Jahre währender Rechtsstreit, während dessen die Eigentümer des Arnsberger Kottens jede Arbeit zur Instandhaltung unterließen. Die Folge war, daß die Stellenmieter nach und nach ausblieben und der Kotten schließlich in den achtziger Jahren verfiel; ein Vorgang, der sich sehr schnell zu vollziehen pflegte, wenn erst einmal der Anfang dazu gemacht war. Jedes Stückchen Holzwerk fand schnell seinen Liebhaber, sei es zum Bau von Ziegenställen oder schließlich als Brennholz. «

Soweit die Schilderungen von Franz Hendrichs. Als Hinweis für denjenigen, der die Wanderung nachvollziehen möchte: Franz Hendrichs folgte der Wupper stromaufwärts.

Einen weiteren Beitrag zur Geschichte des Arnsberger Kottens fand ich in: Die Heimat, Solingen, 11. November 1932, Jg.8, Nr.22 auf Seite 87. Julius Günther, Solingen, betitelte seinen Artikel mit: Streit zwischen Remscheider und Solinger Schleifern. Errichtung neuer Schleifkotten bei Müngsten (1622-1628). Eine Zugbrücke über die Wupper.

Günther schreibt u.a., Bezug nehmend auf einen älteren Artikel in 'Die Heimat' zu den Streitereien:

»Hierzu können wir noch eine Ergänzung bringen und erstens die bemerkenswerte Tatsache berichten, daß auch um die genannte Zeit (1600) Solinger Schleifer in den Kotten am Morsbach gearbeitet haben, und zweitens, daß die Cronenberger und Remscheider im Jahre 1625 ihre Solinger Arbeitskollegen von dort verdrängten. Das wurde ein Anlaß zur Errichtung neuer Schleifkotten auf der Solinger Wupperseite bei Müngsten. Hier bestand um 1600 nur eine derartige Betriebsstätte, nämlich der Schaltkotten, zu dessen Errichtung schon im Jahre 1573 die Genehmigung erteilt wurde 2). Alle übrigen Kottenanlagen von Burg aufwärts entstanden später. Die Zeit der Entstehung des Wiesenkottens ist nicht genau bekannt, er war aber bereits 1715 vorhanden, jedoch nicht vor dem Jahr 1625. Der Arnsbergerkotten war 1628 fertiggestellt. Der Anschlagskotten wurde erst nach 1715 erbaut, genauere Zeit ist nicht bekannt. Ein kleinerer Kotten bei Grunenburg und der große Kirschbergerkotten bei Eulswaag (jetzt Elektrizitätswerk) entstanden zusammen in den Jahren 1622 bis 1624. Wie diese Entwicklung vor sich ging, ist aus dem Nachstehenden ersichtlich:«

Bevor ich Günthers Version der Entstehungsgeschichte zitiere, noch ein paar Anmerkungen. Leider gibt der Autor keine Quellen an. Er verweist nur auf einen anderen Beitrag aus seiner Feder (2:J.Günther, Beiträge zur Siedlungsgeschichte des Wupperlaufes im Solinger Gebiet, in: Zeitschrift des Vereins für Technik und Industrie, Solingen, August 1926.) Mit der Jahreszahl 1715 meint er sicher die Karte von Ploennies, in welcher die Kotten an der Wupper eingetragen sind.

Kartenausschnitt, Ploennies 1715

Er wiederholt die von Franz Hendrichs aufgestellte These, dass der Wiesenkotten, der unterhalb dem Arnsberger Kotten liegt, auf der Karte schon 1715 verzeichnet ist, wogegen der Anschlagkotten angeblich auf der Karte fehlt. Woher mag diese Annahme kommen?
Auf der mir vorliegenden Karte ist der kleine Kotten an der Grunenburg nicht eingetragen.

Weiter mit Günthers Geschichte:

»Im Jahre 1625 erbaten die Gebrüder Drieß und Johann Asheuer, sowie einige andere Brüder des Schleiferhandwerks zu Solingen, wohnhaft "Zum Dorp", bei der Landesregierung die Genehmigung zur Errichtung zweier Schleifkotten (Doppelkotten) zwischen Burg und dem "Müngster Steege" gegenüber Küppelstein (Arnsberg). ... Zunächst wurde der Richter des Amtes Solingen beauftragt, die Oertlichkeit zu prüfen, ferner sollte angegeben werden, ob etwa anderen Untertanen durch den Bau der Kotten Schaden zugefügt werden werden könne. Die Ortsbesichtigung erfolgte unter Hinzuziehung von "zwei Scheffen des Werks", also Angehörigen der Solinger Handwerksbruderschaft der Schleifer. In dem darüber erstatteten Bericht heißt es, daß der vorgeschlagene Ort allen Anwesenden ganz ungelegen vorgekommen sei; man schrieb von "einem Ort uff der Wupper in wildem Busch und von Leuthen weit abgelegen". Die Entscheidung, ob an solcher Stelle ein Schleifkotten angelegt werden könne, wurde der gnädigsten Ratifikation überlassen, die Genehmigung aber dann doch erteilt. ... Außer des Arnsberger Kotten wurde in den Jahren nach 1600 ein kleiner Schleifkotten in der Nähe der Grunenburg und ein größerer, der spätere Kirschberger Kotten, bei Eulswaag an der Wupper errichtet. Paulus zur Eicken, "des Schleiferhandwerks Mitgenoß" war es, der im Jahre 1622 die Genehmigung zur Errichtung eines Schleifkottens bei Eulswaag nachsuchte und zwar des eben genannten kleineren Kottens. Er hatte große Schwierigkeiten hinsichtlich des Wasserzuflusses zu überwinden, da ihm die Nachbarn von Eulswaag oberhalb seines Kottens einen Doppelkotten, den genannten Kirschberger Kotten vor die Nase setzten. Soweit nachweisbar, dehnten sich die Streitereien bis zum Jahre 1624 aus.«

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©2002-2005 Michael Tettinger, So. 03.02.2002, letzte Änderung: Do. 27.10.2005
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